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Rettungsmission

Dramatische Rettung: Alle Fragen und Antworten zur Afghanistan-Evakuierung im Überblick

Berlin / Lesedauer: 4 min

Luftbrücke für Ausländer und Einheimische aus Kabul gestartet – Lage in Afghanistan bleibt unübersichtlich
Veröffentlicht:17.08.2021, 17:58

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Die Rettungsmission der Bundeswehr in Afghanistan ist angelaufen, aber die Lage ist unübersichtlich und gefährlich. Vermutlich können viel weniger Menschen ausgeflogen werden als eigentlich geplant.

Wie läuft die Evakuierung?

Am Dienstagmittag landete in Kabul ein zweiter Militärtransporter A400M der Bundeswehr und hob mit mehr als 120 Menschen an Bord wieder Richtung Usbekistan ab. Weitere Flüge wurden vorbereitet. Am Vorabend war der erste deutsche Militär-Airbus eingetroffen und hatte erste Bundeswehr-Soldaten abgesetzt, nahm allerdings nur sieben Menschen für den Rückflug an Bord.

Begründet wurde dies mit chaotischen Zuständen am Flughafen Kabul und der nächtlichen Ausgangssperre. Geplant ist nach Angaben von Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nun, mit zwei Maschinen im Pendelverkehr zwischen Kabul und Taschkent zu fliegen. Die Bundeswehr arbeitet mit zwei Szenarien: entweder nur eine „sehr kurze“ Zeit für die Evakuierung zu haben – oder womöglich bis in die nächste Woche hinein eine Luftbrücke aufbauen zu können.

Wer wird evakuiert?

"Wir nehmen alles mit, was vom Platz her in unsere Flugzeuge passt", sagt Kramp-Karrenbauer. Aber im Moment können offenbar nur Menschen mit internationalen Pässen den Flughafen erreichen. Wie Generalinspekteur Eberhard Zorn berichtet, haben die Taliban Kabul weitgehend unter Kontrolle und lassen nur ausländische Staatsangehörige zum Flughafen.

Das bedeutet, dass Ortskräfte, Menschenrechtler, Frauen und andere Afghanen, denen die Bundesregierung auch Hilfe zugesagt hatte, derzeit keine Chance haben. Das gilt erst recht für Gefährdete, die sich außerhalb der Hauptstadt zum Beispiel im Norden des Landes befinden, wo die Bundeswehr bis vor wenigen Wochen stationiert war.

Warum die A400M?

Die noch relativ neuen Transportflieger der Bundeswehr können offiziell knapp 130 Menschen mit an Bord nehmen. Die Maschinen können in großer Höhe und vollgeladen über 3000 Kilometer weit fliegen. Sie sind eingeschränkt gegen Beschuss geschützt, unter anderem können sie infrarotgesteuerte Luftabwehrraketen mit dem Abfeuern von Täuschungskörpern ablenken.

Was sollen die Bundeswehr-Soldaten vor Ort leisten?

Am Mittwoch will das Kabinett das Evakuierungsmandat für bis zu 600 Soldaten beschließen. Damit wäre das deutsche Kontingent nach den USA und Großbritannien eines der größten. Nach Angaben von Kramp-Karrenbauer haben die bereits eingetroffenen Soldaten am Flughafen Kabul Stellung bezogen, um die Rettungsflüge abzusichern. Ihre wichtigste Aufgabe sei es, "diejenigen, die abfliegen, zum Flugzeug zu bringen. Dazu brauchen wir eigene Kräfte." Wie lange die Mission dauern wird, ist offen.

Wie viele Menschen fliehen gegenwärtig aus Afghanistan?

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt die Zahl der fliehenden Afghanen auf etwa 30 000 pro Woche. „Aber diese Zahl kann schwanken, da die Flucht oft erschwert ist, zum Beispiel für Frauen, die das Haus nicht alleine verlassen dürfen“, erklärt Victoria Rietig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die meisten Afghanen fliehen ihren Angaben zufolge zunächst in die Nachbarländer, vor allem nach Pakistan und in den Iran. Denn dort leben bereits viele Afghanen – etwa drei Millionen in Pakistan und eine knappe Million im Iran.

Wie kann geholfen werden?

„Hilfen für die direkten Nachbarländer vor Ort, also vor allem für Pakistan und Iran, sind jetzt ein essenzielles Puzzleteil der Lösung“, betont Rietig. „Deutschland, Europa und auch die USA sollten gemeinsam Gespräche mit diesen Ländern führen und Anreize geben, damit diese Nachbarländer die Menschen erst einmal versorgen, so gut es geht.“ Auch Deutschland könne einen Beitrag leisten. Zum einen könne es besonders schutzbedürftige Afghanen und ihre Familien evakuieren, etwa Menschenrechtlerinnen.

Zudem könnte eine zeitweise Lockerung des Familiennachzugs für Afghanen den Anreiz für irreguläre Migration senken, sagt sie. „Drittens sollte Deutschland für weitere mögliche Flüchtlingsströme in die Türkei planen“, betont Rietig. Zurzeit gilt die EU-Türkei-Erklärung von 2016 nicht für Afghanen. „Sie sollte ausgeweitet werden, so dass auch sie in der Türkei temporären Schutz bekommen können.“ Bereits jetzt lebten mehr als hunderttausend Afghanen dort.