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Selbstläufer

Putins Partei erlebt ungewohnte Serie von Niederlagen

Moskau / Lesedauer: 3 min

„Einiges Russland“ muss Rückschläge in der Provinz hinnehmen
Veröffentlicht:24.09.2018, 20:39

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Es geht nicht mehr alles so glatt wie früher für die Kremlpartei „Einiges Russland“. Selbst Wahlen sind kein Selbstläufer mehr – obwohl die Bürokratie vor Manipulationen nicht zurückschreckt.

Vier Gouverneurswahlen gingen für den Kreml in den vergangenen zwei Wochen verloren, vom Gebiet Wladimir nahe Moskau bis in die Region Primorje am Pazifik. Den Kandidaten der Regierungspartei gelang im ersten Wahlgang nicht der Sprung über die 50-Prozent-Hürde. In besseren Zeiten wäre dies eine Leichtigkeit gewesen. Auch sahen die Ergebnisse nicht so aus, als könnten die Kremlkandidaten ihre Gegner in einem zweiten Wahlgang besiegen.

In Primorje, der fernöstlichen Region um die Stadt Wladiwostok, endete die Wahl sogar mit einem Skandal: Kremlkandidat Andrej Tarasenko ließ im Angesicht der Niederlage nächtens noch Urnen mit Stimmzetteln nachfüllen und überflügelte den führenden Kommunisten Andrej Ischtschenko im Morgengrauen um wenige Stimmen. Nach Protesten der Bürger erklärte die Wahlkommission den Urnengang für ungültig. Das hatte es noch nie gegeben.

Allerdings halten Beobachter selbst den Wahlbetrug für eine bewusste Inszenierung der Putin-Partei: Es wurde so offensichtlich gemogelt, dass es gar keine andere Möglichkeit gab, als die Wahl zu annullieren; gleichzeitig wurde die Neuwahl um Monate verschoben. Das Kalkül: Bis zum nächsten Wahltag könnte sich die Lage wieder ändern.

Auch in Chabarowsk im Fernen Osten an der Grenze zu China unterlag der Kremlkandidat. Herausforderer Sergei Furgal von der nationalistischen Liberaldemokratischen Partei LDPR fuhr mit 70 Prozent ein fulminantes Ergebnis ein. Amtsinhaber Wjatscheslaw Schport von „Einiges Russland“ wurde mit 28 Prozent aus dem Rennen geworfen. Das kam einer Demütigung gleich.

Im sibirischen Chakassien trat der Kremlkandidat schon einen Tag vor der Wahl zurück, da die Niederlage im zweiten Durchgang vorgezeichnet schien. Und in Wladimir verlor die Gouverneurin Swetlana Orlowa gegen einen Herausforderer der LDPR.

Siege für systemtreue Opposition

Die LDPR, die nach wie vor von dem Kriegstreiber und Imperialisten Wladimir Schirinowski geführt wird, zählt wie die Kommunisten zur sogenannten Systemopposition, die es sich unter den Fittichen des Kremls bequem gemacht hat. Die Wähler entscheiden sich also nicht für eine andere Politik. Sie sandten aber ein klares Zeichen: „Gebt allen eine Stimme, nur dem Kreml nicht“, fasst Politikwissenschaftler Valery Solowei von der Diplomatenschmiede MGIMO die Stimmung zusammen.

Bislang stand Wladimir Putin als Teflon-Präsident über der Politik. Doch nachdem sich schon vor den Präsidentschaftswahlen im März Missmut der Bevölkerung abzeichnete, fand diese Unzufriedenheit im Sommer erstmals ein Ventil in den Protesten gegen die Erhöhung des Rentenalters. Der Schritt hat dem Image des Präsidenten schweren Schaden zugefügt.

Größere Verwerfungen sind zurzeit nicht zu erwarten. Sie zeichnen sich aber am Horizont ab. Besonders unruhig reagiert die politische Elite. Schon jetzt wurden Repressionen verschärft. Der Oppositionelle Alexej Nawalny wurde am Montag nach Ende eines 30-tägigen Arrestes gleich wieder festgenommen. Ihm droht nun eine neue Strafe.