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Menschenrechtsgerichtshof

Neuer Streit zwischen der Türkei und Europa erwartet

Politik / Lesedauer: 3 min

Ein für Dienstag erwartetes Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg könnte neuen Streit zwischen der Türkei und Europa entfachen. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben.
Veröffentlicht:19.11.2018, 21:12

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Ein an diesem Dienstag erwartetes Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg könnte neuen Streit zwischen der Türkei und Europa auslösen. Das Gericht entscheidet über das Schicksal des Kurdenpolitikers Selahattin Demirtas, eines politischen Rivalen von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seit zwei Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Sollte der 45-jährige Demirtas freikommen, könnte er für Erdogan zu einem Problem werden: In Medienberichten wird Demirtas als Kandidat für das Bürgermeisteramt der kurdischen Metropole Diyarbakir bei den türkischen Kommunalwahlen gehandelt.

Demirtas hat in Straßburg geklagt, weil er seine Grundrechte auf Freiheit und auf einen Prozess in angemessener Zeit verletzt sieht. Er wurde im November 2016 verhaftet, bisher aber noch nicht rechtskräftig verurteilt. Das Menschenrechtsgericht hat seinen Antrag als besonders dringlich eingestuft. Urteile des Straßburger Gerichts sind für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend.

Die Entscheidung der Europa-Richter könnte auch Folgen für viele andere Inhaftierte haben. Eine Anordnung der Richter zur Freilassung von Demirtas vor den Kommunalwahlen im März wäre für die Regierung ein Rückschlag bei ihrem Versuch, Demirtas’ Kurdenpartei HDP weiter zu schwächen.

Ärger zwischen Türkei und Europa liegt ohnehin in der Luft. Zuletzt kritisierte die EU die Festnahme türkischer Intellektueller in der vergangenen Woche: Die türkische Justiz hatte namhafte Akademiker unter dem Vorwurf in Haft nehmen lassen, sie hätten bei den Gezi-Unruhen des Jahres 2013 mitgemischt und damit einen Staatsstreich unterstützt. Die Vorwürfe gehen selbst einigen Parteigängern von Erdogan zu weit. Inzwischen sind die meisten der 13 Festgenommenen wieder frei, doch die Aktion verstärkt das Klima der Angst bei Regierungsgegnern in der Türkei.

Deutscher Sozialarbeiter angeklagt

Am Dienstag steht in der Türkei erneut ein Deutscher wegen angeblicher Verbindungen zu Terroristen vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci (32) Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vor.

Die schweren Mängel des türkischen Rechtsstaates dürften auch bei einem Besuch der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Donnerstag in Ankara auf die Tagesordnung kommen. Mogherinis Gastgeber wissen, dass sich in der EU die Rufe nach einem Ende der türkischen EU-Beitrittsverhandlungen mehren. Die Türkei-Berichterstatterin im Europa-Parlament, Kati Piri, prangerte kürzlich die Festnahme von 150 000 mutmaßlichen Erdogan-Gegnern seit dem Putschversuch von 2016 sowie das Vorgehen gegen regierungskritische Medien und gegen die Zivilgesellschaft an. Piri verlangt, die EU solle die Beitrittsgespräche mit Ankara aussetzen. Auch Erweiterungskommissar Johannes Hahn, der Mogherini begleitet, ist für einen Abbruch.

Dagegen läuft in den Beziehungen der Türkei zu Russland alles bestens. Der russische Präsident Wladimir Putin kam am Montag mit Erdogan zusammen. Die beiden trafen sich zur Einweihung eines Teilstücks der Pipeline „TurkStream“, die vom nächsten Jahr an russisches Erdgas über die Türkei nach Europa bringen soll.