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Netzwerk soll Kindern aus armen Familien helfen

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Jedes fünfte Kind in Baden-Württemberg lebt unter der Armutsgrenze – in der Region Bodensee-Oberschwaben wird dies besonders gut versteckt.
Veröffentlicht:20.03.2018, 21:53

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Jedes fünfte Kind in Baden-Württemberg ist arm – das sind rund 358 000 Minderjährige. Diese Zahlen hat der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart am Dienstag in Stuttgart vorgestellt. „Kinder sind immer unverschuldet arm und die alten Armen von Morgen“, sagte Diözesancaritasdirektor Oliver Merkelbach im Haus der Katholischen Kirche. Daher müsse die Gesellschaft weg von punktueller Hilfe durch einmalige Aktionen, die die Probleme nie auf Dauer lösen könnten.

Die Ursachen für die Armut der Eltern seien vielseitig. So seien Arbeitslose oder Alleinerziehende besonders gefährdet. Zum 100-jährigen Bestehen der Caritas in diesem Jahr macht der Diözesanverband erneut auf die 2016 gegründete Initiative „Mach dich stark“ aufmerksam.

Mit der aktuellen Kampagne „Kinderarmut wohnt nebenan“ will der Verband ein Netzwerk aus Politik, Unternehmen und aus dem sozialen Bereich schaffen. Eine Vielzahl von Akteuren soll beispielsweise Stipendien und Talentförderung für Kinder finanzschwacher Eltern übernehmen. Der Verband hofft mit seiner Initiative auf Unterstützer auch außerhalb der Kirche, auf Helfer und Förderer.

„Ich werde ständig gefragt, wo denn die armen Kinder sein sollen. Man würde nie welche sehen“, sagte Merkelbach. „Sie haben keine zerlumpten Kleider an.“ Aber es gebe sie überall. „Armut wird versteckt, das hat immer mit Scham zu tun.“ Und sie äußere sich darin, dass Kinder keine ausgewogene Freizeitgestaltung hätten. Sie lernen kein Instrument, gehen nicht auf Schulausflüge mit oder bekommen keine Mathe-Nachhilfe. Die Folgen: keine Talententfaltung und schlechte Bildung. Das führe später in einen schlechtbezahlten Job – der Kreislauf der Armut.

Auch am Bodensee gibt es Armut

„Als wir vor zehn Jahren gestartet sind, haben uns einige für verrückt erklärt“, sagte Angelika Hipp-Streicher von der Kinderstiftung in Ravensburg bei dem Termin in Stuttgart . In so einer reichen Region wie Bodensee-Oberschwaben gebe es keine Armut, sei der Tenor von außen gewesen. „In verschiedenen Beratungen haben wir festgestellt, dass Armut doch sehr verbreitet ist, aber versteckt wird.“

Ein Zweig der Stiftung will durch unbürokratische finanzielle Hilfe leisten, zum Beispiel durch Materialien für die Schule, Hilfe bei Lernschwächen oder der Förderung von Talenten. „Die Projekte gehen aber an alle Kinder“, so Hipp-Streicher . Eine Initiative wie „Mach dich stark“ der Caritas sei wichtig, um über einen großen Verband viele Helfende zu vernetzen und Ideen auszutauschen.

In den vergangenen neun Jahren hat sich laut Merkelbach die Kinderarmut nicht gebessert – sie wurde schlimmer. In einer Studie von 2009, die die Diözese damals in Auftrag gegeben hatte, war noch von jedem achten Kind im Südwesten die Rede, das von Armut betroffen ist – und nicht bereits jedes fünfte. „Das ist ein gesellschaftlicher Skandal und ein sozialpolitisches Armutszeugnis“, so Merkelbach. Zwar sei die regionale Wirtschaft stark. „Hier sind auch die Einkommen höher als in vielen anderen Teilen Deutschlands. Allerdings auch die Lebenshaltungskosten“, sagte er. Hilfe wie Hartz IV benachteilige laut Merkelbach die Armen der reichen Regionen, da es bundesweit berechnet werde.