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Nachgefragt: „Obama hat großen Respekt vor der Kanzlerin entwickelt“

Politik / Lesedauer: 2 min

Nachgefragt: „Obama hat großen Respekt vor der Kanzlerin entwickelt“
Veröffentlicht:16.11.2016, 20:55

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Über Barack Obamas Erbe und sein Verhältnis zu Deutschland hat Tobias Schmidt mit Martin Thunert (Foto: privat), US-Experte vom Heidelberg Center for American Studies, gesprochen.

Wird sich die Bundesregierung schon bald nach dem scheidenden US-Präsidenten zurücksehnen?

Angela Merkel und ihre Minister werden sich bald sehr wehmütig an Obama erinnern. Die Spionage-affäre, die das Verhältnis zwischenzeitlich belastet hat, ist für die Regierung in Berlin längst abgehakt. Amerika wird vermutlich auf lange Zeit keinen Präsidenten mehr haben, der in Berlin parteiübergreifend stark wertgeschätzt wird.

Haben Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel wirklich einen guten Draht zueinander gefunden?

Obama hat eigentlich zu niemandem einen persönlichen Draht gefunden. Er ist ein eher distanzierter, kühler, analytischer und intellektueller Kopf. Aber er hat einen sehr großen Respekt vor der Kanzlerin entwickelt. Obamas Weltsicht und seine Sicht auf den Sozialstaat stimmen sehr stark mit den deutschen Vorstellungen überein. Die hohen Erwartungen, die der amerikanische Präsident an Deutschland gerichtet hat, sind nur teilweise erfüllt worden. Im militärischen Bereich hätte er sich noch mehr Führung gewünscht. Leider sagt die Bundesregierung erst jetzt, nach Drohungen von Obamas baldigem Nachfolger Donald Trump, dass sie die Verteidigungsausgaben erhöhen und die europäische Verteidigungszusammenarbeit stärken will. In dem Punkt hat Berlin Obama enttäuscht.

Was wird Obamas wichtigste Hinterlassenschaft bleiben?

Dass er keine neuen Militäroperationen in der Welt gestartet hat, ist sicher das, was sich viele hier in Europa gewünscht haben. Er ist auch der US-Präsident, der sich mit Abstand am stärksten für den Klimaschutz eingesetzt hat. Es bleibt abzuwarten, was unter Trump davon übrigbleibt. Das gilt auch für das Atomabkommen mit dem Iran. Obamas Russlandpolitik ist gescheitert. Auch mit Blick auf Syrien bleibt der Makel an ihm haften, dass er die Terrormiliz „Islamischer Staat“ zunächst unterschätzt hat und gegenüber Assad nicht konsequent war, als der Giftgas eingesetzt hat. Da hätte er sicherlich anders reagieren müssen – möglicherweise auch militärisch. Das hat seine Glaubwürdigkeit untergraben und die Alliierten irritiert. Innenpolitisch wird von ihm der Versuch in Erinnerung bleiben, sozialstaatliche Elemente zu stärken, vor allem mit der Gesundheitsreform. Was die Bundeskanzlerin und ihren Finanzminister Wolfgang Schäuble vermutlich ärgert, ist Obamas Rückendeckung für Griechenland, sein Ruf nach einem Schuldenschnitt, den er jetzt in Athen noch einmal bekräftigte.