StartseitePolitik„Nach radikalen Worten folgen oft die Taten“

Hasskommentar

„Nach radikalen Worten folgen oft die Taten“

Politik / Lesedauer: 5 min

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Interview über Hetze im Netz und die Verantwortung der Politik
Veröffentlicht:19.05.2017, 21:13

Artikel teilen:

Ein neues Gesetz soll Betreiber von sozialen Netzwerken zum Löschen von Hasskommentaren verpflichten. Denn diese seien nur der Anfang von Gewalt, sagt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Gespräch mit Andreas Herholz.

Der US-Präsident Donald Trump steht unter Druck. Er sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, Ermittlungen des FBI behindert und Geheimdienstinformationen an Russland weitergegeben zu haben. Schon ist von „Watergate“ die Rede. Muss Trump um sein Amt fürchten?

Was wir jeden Tag aus dem Weißen Haus hören, macht einen schon fassungslos. So bitter es ist, aber bei der Berichterstattung über Donald Trump weiß man mitunter nicht, ob man gerade die heute-show oder das heute-journal schaut. Die Vereinigten Staaten sind eine der großen Führungsmächte, ohne die viele internationale Konflikte nicht gelöst werden können. Wenn Herr Trump nur damit beschäftigt ist, um sein eigenes politisches Überleben zu kämpfen, ist das mehr als beunruhigend. Und es scheint täglich schlimmer zu werden. Wenn die Vereinigten Staaten handlungsunfähig sind, ist das gefährlich. Sollte Trump nicht endlich beginnen, die Regeln der Demokratie und des Rechtsstaates zu respektieren, wird es schwer für ihn, die volle Amtszeit zu überstehen. Trump sägt mit seiner Unbeherrschtheit an seinem eigenen Stuhl. Wenn er sich und seinen Laden nicht in den Griff bekommt, werden sich irgendwann die eigenen Kräfte der Republikaner gegen ihn richten.

Wie lässt sich die Kette des Versagens im Fall Anis Amri erklären?

Was da im Raum steht, ist ein schwerer Verdacht. Da muss alles sehr konsequent und lückenlos aufgeklärt werden. Das wird jetzt im Rahmen des laufenden Ermittlungsverfahrens geschehen. Das ist die Aufgabe der Behörden. Im Fall Amri sind viele Fehler gemacht worden. Hier darf keine Frage offen bleiben. Es muss alles dafür getan werden, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Wir haben jetzt auch einige gesetzliche Voraussetzungen verändert: Die Kontrolle von Gefährdern wird erleichtert, die Abschiebehaft verlängert.

Der Bundestag berät über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Damit sollen Hass und Hetze im Netz wirksamer bekämpft und Betreiber von sozialen Netzwerken zum konsequenten Löschen solcher strafbaren Äußerungen gebracht werden. Kritiker werfen Ihnen vor, die Regelung sei verfassungswidrig. Wird hier die Meinungsfreiheit eingeschränkt?

Die Meinungsfreiheit schützt keine Verbrechen. Das ist die Grenze der Meinungsfreiheit. Die Hasskriminalität im Netz hat sprunghaft zugenommen. Bedrohungen, Volksverhetzung, Aufforderung zur Begehung von Straftaten – das sind Straftatbestände, die durch die Justiz konsequent verfolgt werden müssen. Und: Es werden immer mehr Straftaten im Netz geahndet. Die Justiz hat in den letzten beiden Jahren bei Hasskriminalität im Netz sehr empfindliche Freiheitsstrafen ausgesprochen. Damit sollte auch dem Letzten deutlich geworden sein, dass man auch im Netz nicht straflos beleidigen, bedrohen oder zu Straftaten aufrufen kann. Die Opfer haben ein Recht darauf, dass wir sie besser schützen.

Die Betreiber laufen Sturm ...

Auch die Betreiber sozialer Netzwerke müssen unsere Gesetze respektieren. Nur, wenn alle diesen Respekt zeigen, gibt es auch Freiheit für alle – und deshalb ist unser Gesetzentwurf keine Beschränkung der Meinungsfreiheit, sondern er stärkt und er schützt sie gegenüber denen, die sie verletzen. Denn: Wer kümmert sich um diejenigen, die im Netz durch Hass und Hetze mundtot gemacht werden und sich längst zurückgezogen haben aus politischen und gesellschaftlichen Debatten, weil sie es nicht mehr aushalten, wie mit ihnen umgegangen wird? Auch deren Meinung muss geschützt werden. Dafür wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz einen Beitrag leisten. Es sorgt dafür, dass sich Unternehmen wie Facebook und Twitter an die schon heute geltenden Gesetze halten müssen. Andernfalls drohen ihnen in Zukunft Geldbußen. Das ist absolut überfällig.

Am Ende wird lieber zu viel gelöscht, um Strafen zu vermeiden ...

Wir haben nicht das Problem, dass zu viel gelöscht wird, sondern oft gar nichts. Bei Twitter wird nur ein Prozent der strafbaren Inhalte gelöscht. Und das, obwohl die Unternehmen bereits nach geltender Rechtslage dazu verpflichtet sind, strafbare Inhalte zu löschen. Da ist es dringend geboten, den Druck zu erhöhen. Wir müssen mehr gegen strafbaren Hass und Hetze im Netz tun. Die Plattformbetreiber sollten ihrer Verantwortung endlich gerecht werden. Sie müssen sich wie jeder andere auch an deutsches Recht halten.

Fürchten Sie nicht, dass das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wird?

Das Gesetz ist vom Kabinett in dieser Fassung beschlossen worden. Und Sie können davon ausgehen, dass das Kabinett nichts beschließt, was gegen unser Grundgesetz oder gegen Europäisches Recht verstößt.

Wo liegen die Ursachen für das immense Ausmaß von Hass und Hetze im Netz?

Grundsätzlich ist das Internet ein Segen für die Meinungsfreiheit und eine Bereicherung für unsere Demokratie. Nicht das Netz ist schuld an der Verbalradikalisierung, sondern die Menschen, die dort ihren Hass verbreiten. Natürlich ist es weitaus einfacher, Dinge im Netz zu schreiben, als sie jemandem direkt ins Gesicht zu sagen. Da sinkt die Hemmschwelle. Dagegen müssen wir vorgehen. Denn: Nach den radikalen Worten folgen oft die Taten. Die Justiz muss solche Hasskriminalität konsequent ahnden. Recht und Gesetz müssen wir auch im Netz durchsetzen.