StartseitePolitikMichael Bloss: „Wir brauchen die finanzielle Bazooka auch für Europa“

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Michael Bloss: „Wir brauchen die finanzielle Bazooka auch für Europa“

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Dass am Europatag die Grenzen in Europa geschlossen sind, bezeichnet Michael Bloss, der für die Grünen im Europaparlament sitzt, als „schreckliche Erfahrung“. Er fordert mehr Gemeinsamkeit.
Veröffentlicht:09.05.2020, 19:00

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Michael Bloss sitzt seit Mai 2019 für die Grünen im Europaparlament. Dass ausgerechnet am Europatag die Grenzen in Europa geschlossen sind, bezeichnet er als „schreckliche Erfahrung“ und fordert mehr Gemeinsamkeit statt Krisen-Nationalismus. Theresa Gnann hat mit dem 33-jährigen Stuttgarter über den Zustand der EU gesprochen.

Herr Bloss, wenn Sie den Zustand der EU in einem Wort beschreiben müssten, was wäre dieses Wort?

Aktuell erinnert die EU an Wackelpudding.

Klingt instabil.

Wir kommen momentan ins Straucheln. Die Corona-Krise hat in der EU zu einer Krise der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens geführt. Weil Deutschland zum Beispiel am Anfang der Krise kein medizinisches Gerät nach Italien geliefert hat, sondern sogar einen Exportstopp verhängt hat und auch die Grenzen geschlossen wurden, hat sich Italien alleingelassen gefühlt. Dort fallen die Zustimmungsraten zur Europäischen Union dramatisch nach unten. Zurzeit konzentrieren wir uns noch sehr stark auf die gesundheitliche Krise. Das ist natürlich richtig. Aber es geht eben auch darum jetzt europäische Antworten zu finden und das Vertrauen in die Europäische Union zurückzugewinnen.

Heißt das, die EU macht aktuell nicht genug?

Die Europäische Union macht schon viel. Aber es ist ein bisschen wie innerhalb Deutschlands. Wenn die Bundesländer ständig eigene Sachen machen, kann auch die Bundesregierung nicht so viel tun. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir uns europäisch abstimmen. Die Debatte um die Corona-Bonds zum Beispiel war kontraproduktiv für den Zusammenhalt. Da haben die Italiener gedacht: Wow, in dieser schlimmen Zeit, während bei uns die Krematorien überlastet sind und wir reihenweise Särge aus Bergamo wegfahren müssen, wird uns gesagt, dass wir die Kontrolle über den italienischen Haushalt abgeben sollen. Corona ist ein externer Schock und anstatt dass man sagt, wir helfen uns gegenseitig, kamen Deutschland und die Niederlande mit Bedingungen an. Das hat gesessen! Europa funktioniert nur dann, wenn alle Mitgliedsstaaten mitmachen. Aber es fehlt manchen in dieser Krisenzeit eben der europäische Blick. Und, da müssen wir ehrlich sein, es fehlt der europäische Handlungsspielraum. Sprich, es fehlt die Möglichkeit der EU zu entscheiden, Grenzen zu schließen oder wem wie geholfen wird. Das ist ein Problem.

Wie soll eine gemeinsame Lösung aussehen?

Gerade geht es ja darum, dass ein neuer europäischer Haushaltsrahmen vorgestellt wird. Da müssen die Staats- und Regierungschefs, und allen voran Deutschland, sagen: Ja, wir wollen, dass dieser Haushalt erheblich größer wird und wir wollen damit den Zusammenhalt in der Europäischen Union sichern. Wir brauchen die finanzielle Bazooka, die der deutsche Finanzminister Scholz für Deutschland beschwört, auch für Europa. Gleichzeitig sehen wir durch den Richterspruch aus Karlsruhe eines ganz klar: Eine europäische Währung kann nicht ohne eine gemeinschaftliche Fiskalpolitik einhergehen. Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung. Ich sage: Europa ist der Weg, Solidarität die Antwort.

Inzwischen ist die Solidarität zwischen den EU-Staaten wieder erwacht, sagt Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Sehen Sie das anders?

Das ist eher ein Appell an die EU-Staaten als Realität. Bei den Haushaltsverhandlungen werden wir sehen, wie groß die Solidarität ist.