StartseitePolitikMay übersteht Misstrauensvotum: Wie es jetzt mit dem Brexit weitergeht

Misstrauensvotum

May übersteht Misstrauensvotum: Wie es jetzt mit dem Brexit weitergeht

London / Lesedauer: 3 min

Premierministerin May hat kaum noch Rückhalt – 71 Labour-Abgeordnete für ein zweites Referendum
Veröffentlicht:16.01.2019, 21:01

Artikel teilen:

An Tag eins nach dem Nein des britischen Unterhauses gegen den Brexit-Deal kann Premierministerin Theresa May zumindest aufatmen. Wie erwartet hat das Unterhaus am Mittwochabend den Misstrauensantrag der Labour-Opposition gegen die konservative Regierung abgelehnt. Unmittelbar danach bot Premierministerin Theresa May den Oppositionsparteien Gespräche über den EU-Ausstieg an. Während die schottische Nationalpartei sich dazu bereit erklärte, stellten Labour und Liberaldemokraten Bedingungen. Die Regierungschefin müsse „zunächst ein für alle mal den No-Deal-Brexit ausschliessen“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn .

Da neben der konservativen Fraktion auch die zehn nordirischen Unionisten der Minderheitsregierung ihre Unterstützung zugesagt hatten, stand das Ergebnis (325 zu 308) nach sechsstündiger Debatte von vornherein fest. Bei einer Niederlage wäre es wahrscheinlich zu Neuwahlen gekommen – die May weiter ablehnt: Diese seien „nicht im nationalen Interesse“.

Tags zuvor war May beim Votum zu ihrem Brexit-Deal mit der EU mit 230 zu 432 Stimmen unterlegen. Ihre Niederlage war damit die höchste, die eine britische Regierung jemals im Parlament erleiden musste. Die Regierungschefin zeigte sich unbeirrt: Das Parlament müsse nun mitteilen, was es denn stattdessen befürworte. Die Wünsche der Abgeordneten reichen vom Austritt ohne Vertrag („no deal“) über den weichen Brexit mit Verbleib in Binnenmarkt und Zollunion bis hin zu einem zweiten Referendum und dem Verbleib im Brüsseler Club.

Ein Wink Richtung Opposition

Wie wenig Rückhalt die Premierministerin in der eigenen Partei noch hat, machte eine Analyse der Abstimmung vom Dienstag deutlich. Lediglich 196 Torys, die Mehrheit von ihnen Regierungsmitglieder, stimmten für ihr Verhandlungspaket, zusammen mit drei Labour-Hinterbänklern sowie drei Unabhängigen. Hingegen votierten 118 Konservative dagegen, einer mehr als jene 117, die der Parteichefin im Dezember in geheimer Wahl das Misstrauen ausgesprochen hatten. Geschlossen sprachen sie am Mittwoch der Chefin das Vertrauen aus.

Bis Montag muss May dem Parlament einen neuen Brexit-Plan vorlegen. Gespräche darüber wollte sie bereits am Mittwochabend beginnen; ausdrücklich bezog sich ihre Einladung auf die Fraktionschefs im Unterhaus. Bisher hatte die Regierung jeglichen Kontakt mit den Spitzen der Oppositionsparteien vermieden. Briefings für kompromisswillige Labour-Hinterbänkler stießen auf wenig Resonanz. Teilnehmer dieser Treffen berichteten davon, die Regierungsseite habe reden, aber nicht zuhören wollen.

Dem Brexit-Ausschuss zufolge soll die Regierung so rasch wie möglich dem Unterhaus mögliche Austritts-Szenarien zur Abstimmung vorlegen. „Dann sehen wir, ob es einen Konsens gibt“, begründet der Ausschussvorsitzende Hilary Benn diese Forderung. Sie geistert schon seit Wochen durch die politische Debatte. Offenbar gibt es auch im Kabinett Befürworter eines solchen Vorgehens, allen voran Sozialministerin Amber Rudd und Wirtschaftsminister Greg Clark. Stets geht es dabei um die Hoffnung, einen Chaos-Brexit ohne Austrittsvereinbarung auszuschließen. Dieser wird nach der Gesetzeslage in der Nacht zum 30. März eintreten, falls das Parlament bis dahin nicht die Notbremse gezogen hat.

Unterdessen erklärten 71 Labour-Abgeordnete – ausgerechnet am Tag des Misstrauensvotums gegen May – ihre Unterstützung für ein zweites Referendum über den Austritt. Auch Liberaldemokraten, SNP und eine Handvoll prominenter Konservativer fordern eine erneute Volksabstimmung.