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Machtkampf

Machtkampf zwischen May und Johnson wird heftiger

London / Lesedauer: 3 min

Auf dem Parteitag der britischen Konservativen streiten die Vorsitzende und ihre Kritiker um den Brexit-Plan. Der ehemalige Außenminister nennt ihn „geistig verwirrt“.
Veröffentlicht:30.09.2018, 20:08

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In Birmingham präsentieren sich die britischen Konservativen bei ihrem Jahrestreffen seit Sonntag als Partei all jener, die mit harter Arbeit vorankommen wollen. Doch will die Regierungspartei in den kommenden Tagen vor allem die Gelegenheit zu ihrer Lieblingsbeschäftigung nutzen: Sich über den bevorstehenden EU-Austritt zu zerfleischen und Premierministerin Theresa May das Leben schwer machen.

Während die Parteivorsitzende May, die an diesem Montag 62 Jahre alt wird, in Interviews für ihre Brexit-Politik warb, ließen ihre Tory-Parteifeinde keine Möglichkeit zur Kritik aus. An deren Spitze setzte sich erneut Ex-Außenminister Boris Johnson . Der 54-Jährige erklärte Mays sogenannten Chequers-Plan in der „Sunday Times“ für „absurd und geistig verwirrt“; deren Brexit-Linie werde dem Land „ökonomischen und politischen Schaden“ zufügen. Zuvor hatte Johnson die britische Regierung, der er bis Juli angehört hatte, als „rückgratlos“ und „altersschwach“ denunziert. Die Premierministerin werde „so lange weitermachen, wie sie es für nötig hält“, sagte er der BBC.

Für den früheren Londoner Bürgermeister ist im offiziellen Programm bis Mittwoch kein Platz. Allerdings steigen die spannendsten Reden meist ohnehin auf den sogenannten „fringe meetings“ am Rande des Parteitags. Hier wird Johnson am Dienstag seinen Auftritt haben. Eine aktuelle Umfrage der Firma BMG sieht in der Bevölkerung jedenfalls wenig Rückhalt für Johnson. Demnach würden die Torys mit dem Brexit-Vormann Johnson an der Spitze gegenüber Labour unter dem altlinken Oppositionsführer Jeremy Corbyn unterliegen. Mit May als Vorsitzende liegen sie jedoch knapp vor der Arbeiterpartei.

Zudem wächst bei den meisten Briten die Skepsis: Sie schätzen die Zukunft ihres Landes schlechter ein als beim Referendum vor zwei Jahren. In einer Befragung im Auftrag des Nachrichtensenders Sky News gaben 56 Prozent an, dass die Scheidung von der EU wohl schlimmere Folgen haben dürfte als sie bei der Abstimmung dachten. Nur neun Prozent gehen von einem besseren Ausgang aus.

Die Premierministerin hat schwere Tage hinter sich. Nach der Demütigung beim Salzburger EU-Gipfel im September lehnen nun auch die Unionisten der erzkonservativen nordirischen DUP Mays Brexit-Plan ab. Das Chequers-Papier werde dem Vereinigte Königreich „auf lange Sicht die Luft rauben“, weil es das Land dauerhaft an EU-Regeln binde, sagt DUP-Brexitsprecher Samuel Wilson. Das Votum der Mini-Partei ist wichtig, weil die konservative Minderheitsregierung im Unterhaus von der Unterstützung der zehn DUP-Abgeordneten abhängt.

Mays Plan für einen weichen Brexit

Aber Chequers sei „der einzige Plan auf dem Verhandlungstisch“, beteuert May im BBC-Interview. Der nach dem Landsitz der Premierministerin benannte Kompromiss sieht einen weichen Brexit vor: Übergangsfrist bis Ende 2020, anschließend enger Assoziationsstatus. Um die Durchlässigkeit der inneririschen Grenze zu garantieren, soll das Vereinigte Königreich in einem Binnenmarkt für Güter verbleiben, will hingegen bei Dienstleistungen eigene Wege gehen. Dass die 27 EU-Partner diesem Vorschlag eine Abfuhr erteilt haben, ficht May nicht an. Sie müssten schon detailliert sagen, worin ihre Einwände bestehen, sagt die Premierministerin. Hartnäckig betont May im BBC-Interview: „Meine Regierung und ich handeln im nationalen Interesse.“ Die Konservativen sollten sich hinter dieser Botschaft versammeln.

Ganz zuletzt lässt sich May doch noch einen kritischen Satz über ihren Möchtegern-Herausforderer entlocken. Sie sei ganz darauf fokussiert, den besten Brexit-Deal abzuliefern. „Es zählt nicht unbedingt, wie oft man im Fernsehen auftritt.“ Damit appelliert die Premierministerin an die Loyalität, die das Tory-Parteivolk normalerweise ihrer Führung entgegenbringt.

Die ersten Reden beim Parteitag am Sonntagnachmittag zur Außenpolitik lassen allerdings vermuten, dass die Delegierten den Brexit-Ultras zuneigen. Wann immer von der rosigen Zukunft Großbritanniens außerhalb des Brüsseler Clubs die Rede ist, wird heftig geklatscht. Wer das Chequers-Papier lobt, erntet eisiges Schweigen.