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Länder erhalten ab 2020 Milliarden vom Bund

Politik / Lesedauer: 3 min

Länder erhalten vom Bund zehn Milliarden Euro mehr und verzichten auf Kompetenzen
Veröffentlicht:01.06.2017, 20:32

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer waren mehrmals stinksauer. Sie boten den Bundesländern viel Geld, zuletzt über acht Milliarden Euro pro Jahr. Aber die Ministerpräsidenten sagten immer: „Nein. Das reicht nicht. Wir wollen mehr.“ Schließlich gab aber Schäuble nach.

Aus anderen Verhandlungen, beispielsweise mit dem verschuldeten Griechenland, ist der CDU-Finanzminister für solche Großzügigkeit nicht bekannt. Hier aber zeigt er nach langem Ringen Entgegenkommen. Die Bund-Länder-Finanzreform sieht vor, dass die Bundesländer im Jahr 2020 zusätzlich 9,7 Milliarden Euro aus den gemeinsamen Steuereinnahmen erhalten. Dieser Betrag steigt bis 2030 auf 14 Milliarden.

Am Donnerstag beschloss der Bundestag das umfangreiche Gesetzespaket, das auch 13 Grundgesetzänderungen beinhaltet. Für diese stimmten 455 Abgeordnete, es gab 87 Gegenstimmen und 61 Enthaltungen. Am heutigen Freitag folgt der Bundesrat. Das ist das bemerkenswerte Ergebnis einer langjährigen Debatte, die unter der Überschrift „Länderfinanzausgleich“ ablief.

Ärger bei Geberländern

Gegenwärtig wird noch ein Teil der Steuereinnahmen zwischen den Ländern umverteilt, damit sich die Lebensbedingungen in ärmeren und reichen Regionen Deutschlands nicht zu sehr auseinanderentwickeln. Im vergangenen Jahr zahlte Bayern 5,8 Milliarden Euro in diesen Topf, Baden-Württemberg 2,5 Milliarden und Hessen 2,3 Milliarden. Alle anderen Länder bekamen etwas davon ab, Berlin mit fast vier Milliarden Euro den größten Anteil. Dieser Verteilungsmodus sorgte jedoch zunehmend für Ärger bei den Regierungen der Geberländer. Zusammen mit Hessen klagte Bayern-Chef Horst Seehofer (CSU) beim Bundesverfassungsgericht.

Das neue Berechnungsverfahren, das ab 2020 gilt, sieht nun anders aus. Bayern beispielsweise wird zunächst etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr sparen. Mehr noch: „Kein Land kommt schlechter weg als vorher“, sagt Kristina van Deuverden, Ökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Und das, obwohl bald auch die bisherige Ostförderung des Solidarpakts endet. Mit im Verhandlungspaket ist unter anderem der Unterhaltsvorschuss: Alleinerziehende erhalten künftig bis zum 18. Geburtstag ihrer Kinder den Unterhalt aus öffentlichen Kassen, wenn der andere Elternteil nicht zahlt.

Schäuble willigte ein, weil die 16 Länderchefs an einem Strang zogen. Die Zustimmung fiel dem Finanzminister jedoch leichter, weil er im Geld schwimmt. Ständig steigen die Steuereinnahmen. Außerdem ist Schäuble empfänglich für die schwierige Lage in manchen Ländern und Kommunen. Er weiß, dass ohne zusätzliches Geld die steigenden Ausgaben für Sozialleistungen und Flüchtlingshilfe nicht zu stemmen sind.

Aber kostenlos ist die Einigung auch für die Länder nicht. „Die zentralstaatliche Kompetenz wird gestärkt, der Ausgleich unter den Ländern hingegen geschwächt“, sagt van Deuverden. Das Geschäft folgt dem Prinzip Geld gegen Macht. Schäuble spendiert Milliarden, dafür erhält der Bund zusätzlichen Einfluss. Beispielsweise den Ausbau und die Instandhaltung der Autobahnen organisieren künftig nicht mehr die Landesministerien, zuständig ist dann eine Bundesgesellschaft.

Von erheblicher politischer Bedeutung sind die neuen Überwachungsrechte, die der Bund für die Finanzen der Länder bekommt. Diese müssen bald eine Schuldenbremse einhalten, die härter wirkt als auf nationaler Ebene. Staatsverschuldung auf Landesebene ist dann kaum noch möglich. Die Regierungen ärmerer Regionen suchen deshalb nach Möglichkeiten, die zukünftige Regelung zu umgehen. Ein Variante: Privatwirtschaftliche Gesellschaften unter staatlicher Hoheit könnten Kredite aufnehmen. Solche und andere Ausweichreaktionen will Schäuble durch die schärfere Aufsicht des Bundes über die Länder verhindern.

Als prominentester Gegner der Gesamtreform im Koalitionslager gilt Bundestagspräsident Norbert Lammert. Der CDU-Politiker kritisiert, dass das Grundgesetz an zahlreichen Stellen geändert wird, was er „formal grenzwertig“ nennt. Lammert befürchtet eine zunehmende Entwicklung hin zu einem Zentralstaat. Auch die Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht sprach wie Lammert von einem „monströsen Eingriff“ in das Grundgesetz.