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„Lügenpresse. Halt die Fresse“

Politik / Lesedauer: 3 min

„Lügenpresse. Halt die Fresse“
Veröffentlicht:09.04.2015, 17:20

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„Lügenpresse. Halt die Fresse“: 14 Sekunden dauert es an diesem Januartag, bis uns Twitter-Nutzer August_Bebel17 (Name nur geringfügig geändert) diese Zeilen schreibt. Das Vergehen der Digitalredaktion: die Veröffentlichung des „taz“-Titelblatts vom folgenden Tag. Darauf zu sehen: der Schriftzug „Je suis Charlie“ – im Gedenken an die Opfer des Terroranschlags auf das französische Satireblatt „Charlie Hebdo“.

Woche für Woche erhalten Journalisten der „ Schwäbischen Zeitung “ auf digitalem Wege solche Nachrichten – zunehmend von Menschen, die sich hinter Pseudonymen verstecken. Wir werden von Mickey Mäusen, Excaliburs oder Turbo-Barbies „in die Gaskammer“ verwünscht, als „Kriegstreiber“ oder „Pazifisten-Schwuchteln“ bezeichnet oder mit einem „ordentlichen Schlag in die Fresse“ bedroht.

Am einen Tag ist die „Schwäbische Zeitung“ ein „rechtes Kampfblatt“, am nächsten Tag folgen ihre Autoren den Anweisungen des „linken Meinungskartells“. In einigen Fällen sehen sich Journalisten für ein- und denselben Text beiden Vorwürfen ausgesetzt. Das Leben muss einfach sein für jene, die nur Schwarz und Weiß sehen.

Zum Glück sieht die Mehrheit unserer Leser auch Grau, Blau, Grün, Gelb und all die anderen Farben, die die Welt bunt machen. Die meisten der Kommentare auf unseren Plattformen sind konstruktiv. Sie starten und bereichern Diskussionen, sie helfen uns weiter, machen unseren Journalismus besser, unsere Themen relevanter.

Allerdings nimmt entweder die Anzahl der Schwarz-Weiß-Seher dieser Tage zu, oder aber deren Hemmschwelle sinkt ab. Auf jeden Fall mehren sich insbesondere bei Themen wie Russland, Flüchtlinge oder Masern jene Kommentare, die pauschalisierend, persönlich angreifend und anonym abgegeben sind. An den digitalen Kanälen selbst liegt das nicht. Vielmehr an den klarnamenscheuen Kommentatoren, die diese Kanäle für ihre dumpfen Pöbeleien missbrauchen.

Auf die Angriffe gegen uns bezogen: Ja, wir machen Fehler. Und ja, Kritik an Journalisten ist wichtig. Wer mit seinen Beiträgen Tausende Menschen erreicht, der hat Macht. Und wer Macht hat, der sollte mit dieser verantwortungsvoll umgehen und kritisierbar sein. Aber Kritik sollte fair sein, Anstand gewahrt bleiben.

Auch wir kritisieren andere. Wir tun dies aber stets unter Angabe unseres Namens. Wir stehen zu unseren Meinungen. Wir tun das im Wissen, dass der nächste Angriff eines Trolls (Mensch, der andere im Internet wahllos attackiert) nur ein paar Klicks entfernt ist. Um ihn zu starten, braucht es kein Briefpapier und kein Porto. Ist er anonym, braucht es nicht mal Mut.

Mut hat auch August_Bebel17 für seine Zeilen nicht gebraucht. Im echten Leben heißt er ganz bestimmt nicht August Bebel , firmiert also unter einem Pseudonym in dem sozialen Netzwerk. Das ist sein gutes Recht. Eine allgemeine Klarnamen-Pflicht gibt es nicht – auch nicht auf schwäbische.de . Und das ist gut so. Manche Menschen haben nur dank Pseudonym die Möglichkeit, ohne Furcht vor Repressalien auf Missstände aufmerksam zu machen, Diskussionen anzustoßen, sich über Sorgen auszutauschen.

Wer aber wie August_Bebel17 meint, andere auf fremden Plattformen in dieser Art und Weise angreifen und damit eine Gesprächsdiskussion vergiften zu müssen, der sollte doch mindestens sein Visier hochklappen, mit anderen Diskutanten auf Augenhöhe streiten, seinen Namen nennen.

Wir nehmen Reaktionen sehr ernst. Wir möchten aber gerne wissen, von wem sie kommen. Also, lieber August_Bebel17: Wer sind Sie? Schreiben Sie uns doch eine E-Mail an [email protected] .