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Milchgipfel

Kritik an Ergebnissen des Milchgipfels

Politik / Lesedauer: 3 min

Eine neue Arbeitsgruppe soll Vorschläge zur Reduzierung der Milchmenge erarbeiten
Veröffentlicht:30.05.2016, 20:33

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Plötzlich soll alles ganz schnell gehen. „Ich will die Milchproduktion in Deutschlands Ställen erhalten“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt nach dem Ende des Milchgipfels in Berlin . „Der Bund wird einen großen Beitrag zur Existenzsicherung leisten“, kündigt Gastgeber Schmidt ein Hilfsprogramm für die notleidenden Bauern an. „100 Millionen Euro plus X“ werde das Volumen der kurzfristigen Hilfen sein, bestätigt der Landwirtschaftsminister.

Wenn es nach ihm ginge und auch die Länder und die Europäische Union einen finanziellen Beitrag leisten würden, könnte es sogar deutlich mehr sein. Es gehe allerdings nicht nur darum, den Bauern „kurzfristig unter die Arme zu greifen“. Es müssten auch strukturelle Veränderungen im Milchmarkt her, stellt CSU-Mann Schmidt klar.

Rukwied fordert eine Milliarde

Kaum war der Gipfel, bei dem der Minister mit Spitzenvertretern von Molkereien, Einzelhandel und Bauern beraten hatte, vorbei, da hagelte es auch schon Kritik. Von Länderseite ist zu hören, dass sich nun räche, dass Schmidt die Verbände der Milchbauern nicht eingeladen habe und es deshalb auch keine Lösung für das Überangebot von Milch gebe. Tatsächlich bleibt es bei vagen Ankündigungen und Absichtserklärungen. Bei der Pressekonferenz danach heißt es, dass eine neue Arbeitsgruppe – ein „Branchendialog Milch“ – Vorschläge zu einer kurzfristigen Reduzierung der Milchmenge erarbeiten solle. Es sei nicht Aufgabe des Staates, Preise und Produktionsmengen festzulegen, erklärte Agrarminister Schmidt.

Das Überangebot in Europa – kombiniert mit dem Nachfragerückgang in China und der Arabischen Welt sowie den Auswirkungen des russischen Importstopps – gelten als Hauptursache für den Preisverfall bei Milch und Milchprodukten.

Die Bauern erhalten im Süden inzwischen weniger als 30 Cent und im Norden nur noch 17, 18 Cent. Im Supermarkt ist der Liter Trinkmilch für 46 Cent zu haben. Längst werden Erinnerungen an die letzte große Preiskrise 2008/2009 und den wochenlangen Lieferstreik der Bauern wach.

„Steht auf, wenn ihr ein Bauer seid!“, singen sie draußen, während drinnen die Gipfel-Beratungen laufen. Auf der Straße vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium haben die Demonstranten einen Berg mit Gummistiefeln aufgetürmt. Jeder einzelne soll für einen Milchbauern stehen, der wegen der aktuellen Preiskrise schon aufgegeben hat. Wut, Enttäuschung und jede Menge Zukunftsangst bei den Landwirten, die in Berlin für höhere Milchpreise trommeln und Kühe vors Brandenburger Tor treiben. „Stoppt das Höfesterben!“, steht auf ihren Transparenten: „Mengen reduzieren statt Bauern ruinieren.“ Mit Steuer-Vorteilen, Bürgschaften und Direktzuschüssen sollen die Bauern unterstützt werden – viele Demonstranten sehen darin nicht mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein. Joachim Rukwied , Präsident des Deutschen Bauernverbandes, der anders als die Interessenvertretung der Milchbauern zum Gipfel geladen war, fordert eine Milliarde Euro als Soforthilfe statt der jetzt zugesagten 100 Millionen.

„Ein Weiter-so kann und darf es nicht geben“, erklärt Schmidt. Geht es nach ihm, sollen die Molkereien ihre Marktmacht gegenüber den großen Handelsketten stärker zur Geltung bringen können. Dazu arbeite die Bundesregierung an kartellrechtlichen Änderungen. Die Reduzierung der Milchmenge sei der einzige Weg, der aus der Krise führe, heißt es aufseiten des Handels. „Wir wollen keine Landwirtschaft, die am Tropf von Hilfszahlungen hängt“, erklärte Schmidt.

Zunächst einmal soll der Steuerzahler in die Bresche springen und die Krise überbrücken helfen: Der Bund will den Zuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung auf 78 Millionen Euro aufstocken sowie einen steuerlichen Freibetrag für Fälle einführen, in denen Bauern zur Tilgung von Schulden Land verkaufen. Darüber hinaus sollen die Landwirte ihre Gewinne in guten Jahren mit ihren Ergebnissen in schlechten verrechnen dürfen und so Steuern sparen können. Die große Lösung für einen besseren Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Milchmarkt wird erst einmal vertagt.