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Protokollabteilung

Kampf gegen Korruption in Rumänien

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Pläne für Justizreform spalten das Land, das am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt
Veröffentlicht:22.10.2018, 20:33

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War es eine Botschaft an Brüssel – oder nur ein Fehler der Protokollabteilung? Als Viorica Dancila, soeben zur neuen Premierministerin Rumäniens gewählt, im Januar diesen Jahres mit ihrem Kabinett zum Gruppenfoto antrat, war etwas anders als sonst. Seit dem EU-Beitritt des Landes 2007 hatte die Ministerriege stets vor zwei Flaggen posiert, vor der rumänischen und der europäischen. Dieses Mal aber war nur die rot-gelb-blaue Trikolore Rumäniens zu sehen, nicht der europäische Sternenkranz.

Einige im Ausland lebende Rumänen witterten dahinter eine böse politische Absicht. Sie besorgten sich eine EU-Flagge und ließen sie, beginnend in Brüssel, von Stadt zu Stadt weiterreichen – bis nach Bukarest , wo die Flagge an die Premierministerin übergeben wurde. Das Signal war klar: Wir wollen zu Europa gehören. Dass die Initiative von Rumänen im Ausland ausging, ist kein Zufall. Die Diaspora spielt politisch eine wichtige Rolle. Insgesamt sieben Millionen Rumänen leben im Ausland, oftmals sehen sie dort, wie Demokratie besser funktionieren kann als daheim. Ein Teil von ihnen hat sich in einer Bewegung namens „Rezist“ vernetzt. Sie werfen der Regierung in Bukarest Korruption und eine Aushöhlung der Demokratie vor. Auch die Aktion „Wir bringen die Flagge zurück“ wurde von „Rezist“ organisiert.

In Bukarest haben zuletzt am 10. August 80 000 Menschen in Bukarest gegen die Regierung demonstriert. Der Protest richtet sich zuvorderst gegen Liviu Dragnea , den Parteichef der regierenden PSD. Ihm wird die Veruntreuung von EU-Vermögen in zweistelliger Millionenhöhe vorgeworfen. Weil er wegen Wahlmanipulation vorbestraft ist, kann Dragnea nicht selbst Ministerpräsident werden. Amtsinhaberin Dancila gilt als seine Marionette.

Umstrittene Justizreform

Kritiker wie die „Rezist“-Aktivisten sehen Dragnea als typischen PSD-Kader. Die Partei ist auf dem Papier sozialdemokratisch, tatsächlich aber ein Sammelbecken für ex-kommunistische Seilschaften, die ideologisch flexibel, bei der Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen dafür umso gradliniger sind. Anlass für die Proteste ist auch der Versuch der Regierenden, sich durch eine Justizreform vor Strafverfolgung zu schützen. Die Pläne werden von der EU kritisiert – doch anders als etwa die Regierungen in Polen und Ungarn sucht Bukarest nicht die Konfrontation mit Brüssel. Stattdessen geben sich die PSD-Granden gerne als verfolgte Unschuld.

Zwischen den Lagern steht Staatspräsident Klaus Johannis , der zur deutschsprachigen Minderheit gehört. Im Grunde neigt er den Demonstranten zu. Von diesen werfen ihm aber viele vor, zu nachgiebig zu sein. So musste Johannis auf Druck der Regierung die populäre Anti-Korruptions-Staatsanwältin Laura Kövesi entlassen. „Das Problem ist, dass der Präsident de facto keine Kompetenzen hat“, bedauert Beatrice Ungar, Chefredakteurin der „Herrmannstädter Zeitung“ und Angehörige der deutschsprachigen Minderheit im Land. Seine Wahl ins höchste Staatsamt hat Johannis nicht zuletzt den im Ausland lebenden Rumänen zu verdanken. Johannis wird von manchen Rumänen als möglicher Nachfolger von EU-Ratspräsident Donald Tusk gehandelt.

Im ersten Halbjahr 2019 wird Rumänien erstmals die EU-Präsidentschaft übernehmen. Daten und Fakten zu Rumänien: Einwohner: 19,9 Millionen

Größe: 238 391 Quadratkilometer

Hauptstadt: Bukarest

BIP pro Kopf: 9420 Euro (2017)

EU-Mitgliedschaft: seit 2007

Sitze im EU-Parlament: 32

Politisches System: Staatsoberhaupt Rumäniens ist seit 2015 Klaus Johannis, Mitglied des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), der bei der Wahl als Kandidat der Nationalliberalen Partei (PNL) angetreten ist. Die Regierung wird hingegen von Sozialdemokraten (PSD) und der Allianz der liberalen und Demokraten (ALDE). Regierungschefin ist seit Januar 2018 Viorica Dancila (PSD). Die PNL ist die größte Oppositionspartei im Parlament. Die Partei der ethnischen Ungarn UDMR ist mit einer eigenen Fraktion im Parlament vertreten, für kleinere ethnische Minderheiten sind 17 Sitze reserviert. Einen davon hält das DFDR für die Rumäniendeutschen, von denen heute noch gut 30 000 im Land leben.