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Offensive

Idlib droht ein Massaker

Istanbul / Lesedauer: 3 min

Syriens Präsident Assad bringt berüchtigte Einheiten vor der Rebellenhochburg in Stellung
Veröffentlicht:16.09.2018, 20:33

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Vor dem erwarteten Angriff der syrischen Armee auf die Rebellen-Enklave Idlib haben einige der berüchtigsten Einheiten der Militärs in der Nähe der Provinz Stellung bezogen. Sie sollen an der Offensive teilnehmen. Die Republikanische Garde und die Vierte Panzerdivision unter dem Befehl von Maher al-Assad, dem Bruder des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, warten an der Grenze zu Idlib auf den Einsatzbefehl.

Auch die „Tiger-Truppe“ des Kommandeurs und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Suheil al-Hassan ist in der Gegend aufgefahren. Dass die Regierung diese für ihre Brutalität bekannten Eliteeinheiten aufbietet, zeigt die Bedeutung von Idlib für die Führung in Damaskus .

Assads Regierung will Idlib, die letzte Hochburg der Aufständischen, möglichst bald einnehmen und damit den militärischen Sieg über seine Gegner im Bürgerkrieg besiegeln. In Idlib haben sich mehrere zehntausend kampferfahrene Rebellen verschanzt, darunter islamistische Extremisten, Kämpfer aus Tschetschenien und China sowie Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt werden. In Idlib leben aber auch rund drei Millionen Zivilisten – die erwartete Schlacht könnte deshalb zu einer humanitären Katastrophe werden, befürchtet die UNO .

Türkei will Offensive verhindern

Derzeit bemüht sich die Türkei darum, die Offensive noch zu verhindern: Präsident Recep Tayyip Erdogan trifft an diesem Montag im russischen Sotschi mit Kreml-Chef Wladimir Putin zusammen, dem Schutzherrn von Assad. Russland ist bereit, die Offensive auf türkischen Wunsch hin etwas zu verschieben. Doch die Einnahme von Idlib an sich sei für Putin nicht verhandelbar, sagt Kerim Has , Experte für die russisch-türkischen Beziehungen. Der Aufschub werde den Beginn des Großangriffs höchstens um einige Wochen verzögern, sagte Has der „Schwäbischen Zeitung“ in Istanbul.

Die Anwesenheit von Maher al-Assad und Kommandeur Hassan ist ein sicheres Zeichen dafür, dass auch die syrische Regierung erwartet, von Moskau bald grünes Licht und die Unterstützung der russischen Luftwaffe für die Offensive zu erhalten. Maher al-Assads Vierte Panzerdivision und die Republikanische Garde – deren Wahrzeichen ein Totenkopf ist – sind Truppen, deren Hauptaufgabe der Schutz der Regierung in Damaskus ist, die nun aber rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt stehen. Die Regierung will diese Einheiten nicht auf Dauer so weit von Damaskus entfernt sehen.

Dasselbe gilt für die „Tiger-Truppe“ von Brigadegeneral Hassan, der wie die Präsidentenfamilie der Glaubensgemeinschaft der Alawiten angehört. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärte, die Anwesenheit von Hassans Truppe lasse vermuten, dass in Idlib dieselbe Brutalität gegenüber Zivilisten zu erwarten sei wie bei anderen Schlachten, an denen die Einheit beteiligt war.

Bruder als brutaler Vollstrecker

Präsidentenbruder Maher ist seit dem Ausbruch der Proteste gegen die Regierung im Frühjahr 2011 an vorderster Front am Kampf gegen Regierungsgegner beteiligt. Der 50-Jährige hat den Ruf eines besonders brutalen Vollstreckers und soll persönlich auf unbewaffnete Demonstranten geschossen haben. Die USA und die EU haben Sanktionen gegen ihn erlassen. Unbestätigten Berichten zufolge soll er bei Gefechten ein Bein verloren haben.

Kommandeur Hassan ist so berüchtigt wie Maher al-Assad. Auch er soll tödliche Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten angeordnet haben und für Massaker verantwortlich sein. Hassan gilt als syrischer Lieblings-General der russischen Armee und erhielt vor zwei Jahren den russischen Orden der Freundschaft. Für viele Anhänger der Assad-Regierung ist der 48-jährige Hassan ein Held, für die Opposition und Menschenrechtsaktivisten ist er ein Verbrecher.

In der Presse wird Hassan wegen seiner Popularität im Regierungslager hin und wieder als potenzieller Rivale von Präsident Assad genannt. Die besondere Aufmerksamkeit Russlands für den Brigadegeneral könnte darauf hindeuten, dass sich Moskau auf eine Zukunft für Syrien ohne Assad vorbereitet. Doch Hassans Aufstieg könnte auch gefährlich für ihn werden, merkte das US-Magazin „The Atlantic“ an: Die Assad-Regierung könnte versucht sein, Hassan zu „eliminieren“.