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Grunderwerbesteuer

Gutachter empfehlen Abschaffung der Mietpreisbremse

Berlin / Lesedauer: 3 min

Sie raten zu mehr Wohngeld für Familien und niedrigeren Grunderwerbsteuern – SPD sieht Rezepte aus neoliberaler Mottenkiste
Veröffentlicht:23.08.2018, 20:09

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Mietpreisbremse abschaffen, sozialen Wohnungsbau zurückfahren, Grunderwerbesteuer senken und Wohngeld erhöhen – das empfiehlt der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministerium in einem Gutachten zur sozialen Wohnungspolitik. Ein Rezept, das bei der SPD umgehend auf Widerstand stößt. Der Beirat lasse „die kaltherzige Katze aus dem schwarzen Sack“, so SPD-Vize Natascha Kohnen. Die Mietpreisbreme sei richtig und müsste hochgefahren werden.

Fehlleitung von Subventionen

Kurz vor einem für den Herbst geplanten Koalitionsgipfel zum Thema Wohnungsbau wollte man es genau wissen: Die Wissenschaftler sollten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums einzelne Instrumente für den sozialen Wohnungsbau auf ihre Wirksamkeit prüfen.

Bereits geeinigt hat sich die Große Koalition darauf, den sozialen Wohnungsbau mit zwei Milliarden Euro wiederzubeleben. Falsch, sagen die Gutachter, sie empfehlen, den sozialen Wohnungsbau zurückzufahren, um eine Fehlleitung von Subventionen zu verhindern.

Rund eine Million Wohnungen fehlen in Deutschland, vor allem in den Ballungsräumen. Gleichzeitig aber stehen rund zwei Millionen Wohnungen leer, davon 620 000 im Osten. Die Bestandmieten haben sich seit 2009 nicht kräftiger erhöht als die Preise, aber bei der Wiedervermietung schnellen die Mieten in die Höhe. In München um 40 Prozent, in Berlin um 68 Prozent. Eine Entwicklung, die Mietern große Angst macht und außerdem dazu führt, dass niemand mehr seine Wohnung verlässt, auch wenn sie zu groß geworden ist, weil die Kinder ausgezogen sind.

Doch die Mietpreisbremse schaffe hier keine Abhilfe und keinen sozialen Ausgleich, meint das Gutachten. Zum einen werde der Spielraum für den Vermieter, sich ihm genehme Mieter auszuwählen, größer, wodurch es gerade für Gruppen wie kinderreiche Familien oder Ausländer noch schwieriger werde, zum Zug zu kommen. „Wir schlagen vor, die Mietpreisbremse ersatzlos zu streichen“, so der Konstanzer Professor Friedrich Breyer, der die Federführung des Gutachtens hatte.

Warnung vor Stadtrand-Ghettos

Gegen den sozialen Wohnungsbau spreche die hohe Zahl von Fehlbelegungen und die Gefahr, soziale Ghettos in Randlagen der Großstätte zu schaffen. Wenn die Koalition, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, trotzdem den sozialen Wohnungsbau mit zwei Milliarden Euro fördere, solle man zumindest die Bedürftigkeit regelmäßig überprüfen und neue Wohnungen nur in Gebieten mit angemessener Durchmischung fördern.

Was aber hilft einer sozialen Wohnungspolitik? Mehr Wohngeld, meinen die Wissenschaftler. Hier müsse der Personenkreis deutlich erweitert werden. Derzeit nähmen 86 Prozent der Berechtigten das Wohngeld gar nicht in Anspruch. Dabei sei es ein zielgenaues Instrument, das die Funktionsfähigkeit der Märkte nicht beeinträchtige, indem man die Kaufkraft bestimmter Haushalte erhöhe, die vom Gesetzgeber als förderungswürdig angesehen werde, zum Beispiel Familien mit Kindern.

Um den Widerstand gegen Bauland-Neuausweisung zu mindern, könne man Gewinne, die durch die Ausweisung neuen Baulands anfallen, besteuern und die Mittel für die Infrastruktur einsetzen.

Die Grunderwerbsteuer zu senken, kostet Geld, bringt aber am Ende mehr ein, sagen die Gutachter, weil mehr gebaut wird. Eine Senkung der Grunderwerbsteuer sei sinnvoller als das Baukindergeld. Seit diese Steuer nicht mehr bundesweit einheitlich ist, wurde sie mit Ausnahme von Sachsen und Bayern in allen Bundesländern von 3,5 Prozent auf 4,5 bis 6,5 Prozent erhöht. Das habe den Wohnungsbau verteuert.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel wirft den Wirtschaftswissenschaftlern vor, „die neoliberale Mottenkiste weit geöffnet“ zu haben. „Dieser Beirat spricht die geheimen Wünsche der Konservativen aus, die lieber Wohnraumspekulanten schützen als für bezahlbare Mieten zu sorgen. “