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Auslaufmodell

Grünen-Fraktionschef: „Volksparteien sind eher ein Auslaufmodell“

Berlin / Lesedauer: 3 min

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter über den Höhenflug der Partei
Veröffentlicht:19.10.2018, 19:42

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Warum sind die Grünen derzeit im Höhenflug – und mit wem würden sie heute am liebsten regieren? Andreas Herholz hat darüber mit Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionschef im Bundestag , gesprochen.

Herr Hofreiter, Sie halten Schwarz-Grün für die bessere Koalition in Bayern. Warum kommt es nicht dazu?

Das ist gescheitert. Die CSU hat sich nicht getraut, einen Politikwechsel einzuleiten. Sie setzt lieber auf ein „Weiter so“. Der CSU-Spitze fehlt der Mut zu Veränderungen, den sich selbst ihre Wählerinnen und Wähler wünschten.

Meinungsforscher sehen die Grünen auch bundesweit als zweitstärkste Partei. Sind Sie auf dem Weg in Richtung Volkspartei?

Von dem Begriff Volkspartei halte ich wenig. Volksparteien mit ihrem nivellierenden Ansatz von wichtigen politischen Positionen sind eher ein Auslaufmodell. Die Leute wollen klare Haltung, sie erwarten Anstand und dass Politik Verantwortung übernimmt. Das bieten wir. Dass wir derzeit so gut dastehen, hat mehrere Gründe. Dazu gehört unser konsequentes Auftreten im Bundestag. Obwohl wir kleinste Fraktion sind, nehmen uns die Bürgerinnen und Bürger als Oppositionsführer wahr. Mit unseren neuen Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck ist uns ein Aufbruch gelungen. Durch den Dürre-Sommer ist vielen Menschen bewusst geworden, wie real die Klimakrise ist. Und nicht zuletzt: Die politischen Fehler und das Dauer-Chaos von CDU, CSU und SPD helfen uns natürlich auch. Deshalb stehen wir so stark da.

Sind die alten Volksparteien am Ende?

Ich stimme keinen Abgesang auf die Volksparteien an, aber ihre Idee hat sich überholt. Ich will, dass die Grünen die führende Kraft der linken Mitte werden. Und zwar dauerhaft. Als Konzeptpartei wollen wir die richtigen Antworten für die heutige Zeit und die Herausforderungen der Zukunft geben.

Grünen-Parteichefin Baerbock sagt, die Zeit der politischen Lager sei vorbei. Sind die Grünen jetzt nach allen Seiten offen?

Es ist richtig, dass wir mit allen demokratischen Parteien gesprächsbereit sind – nicht aber mit der AfD. Das verbietet sich von selbst. Programmatisch und inhaltlich verbindet uns natürlich mehr mit der SPD als mit Union oder FDP. Aber auch die SPD-Vorsitzende Nahles hat zuletzt unsägliche Äußerungen etwa über Klimaschützer gemacht. Das zeigt: Wir Grünen müssen aus eigener Kraft stärker werden.

Sollte die Große Koalition auseinanderbrechen, würden die Grünen dann noch einmal für eine Neuauflage eines Jamaika-Bündnisses zur Verfügung stehen?

Wir sollten jetzt nicht spekulieren. Wir warten die Wahlen in Hessen ab. Was dann auf Bundesebene passiert, ist offen. Die Große Koalition produziert jedenfalls seit einiger Zeit mehr Probleme, als sie löst. Horst Seehofer ist eine dominante Ursache für die Schwäche der Großen Koalition. Eine andere ist die Kanzlerin mit ihrer fehlenden Führung und der nicht vorhersehbaren Politik kleinster Schritte, des Durchwurschtelns und plötzlicher, nicht erklärter Wendemanöver. Man denke nur an die Energiepolitik. Noch im Herbst 2010 hat Frau Merkel die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert und nach Fukushima die Energiewende ausgerufen und den Kurs um 180 Grad geändert. In der Flüchtlingspolitik war es genauso. Merkel moderiert, anstatt zu führen. Und im letzten Moment ändert sie ihren Kurs, ohne dies zu erklären.