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Notlösung

Grün ist die Notlösung für Merkel

Berlin / Lesedauer: 4 min

Wenn Horst Seehofer geht und sich die Unionsfraktion zerlegt, ist ein Kenia-Bündnis denkbar.
Veröffentlicht:25.06.2018, 21:33

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. Berlin hält den Atem an. München nicht. Täglich wird von der CSU der Streit mit der CDU neu befeuert, und so bestimmt längst das Gefühl die Debatten in der Hauptstadt, dass die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU jederzeit auseinanderfliegen kann. Vielleicht am frühen Mittwoch morgen nach dem Koalitionsausschuss, vielleicht am Wochenende nach dem EU-Gipfel. Was aber dann? Könnte Kanzlerin Angela Merkel sich, falls die CSU die Fraktionsgemeinschaft aufkündigt, einen neuen Partner suchen? Sie kann. Die Grünen zählen 67 Abgeordnete, die CSU-Landesgruppe hat 46 Mitglieder. Doch würden die Grünen springen?

Angela Merkel hat vom Bundespräsidenten vor einem dreiviertel Jahr den Auftrag erhalten, eine neue Regierung zu bilden. Und sie ist nach dem Scheitern von Jamaika noch einmal ermuntert worden, es weiter zu versuchen. Den Auftrag hat sie weiterhin, und wie sie das anstellt, ist ihre Sache.

Wenn also Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Sonntag mit den Ergebnissen des Europäischen Gipfels nicht einverstanden wäre, wenn er verkünden würde, dass er die Grenzen schließt, könnte Angela Merkel von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und ihn entlassen. Wenn daraufhin die CSU die gemeinsame Fraktion aufkündigen würde, wäre es denkbar, dass die Grünen einspringen.

Keiner sehnt sich danach

„Die Lage ist zu ernst, um öffentlich wild zu spekulieren“, sagt Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger und fügt hinzu. „Die Grünen übernehmen Verantwortung, aber nicht um jeden Preis.“ Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat schon vor einer Woche betont, es gebe keine Zweifel, dass die Grünen regieren könnten und gestalten wollen.

Und Grünen-Chef Robert Habeck versichert, „dass die Grünen Verantwortung wahrnehmen, wissen doch alle.“ Allerdings würden sich die Grünen im Fall der Fälle sehr genau anschauen, ob Vertrauen und Stabilität gewährleistet wären. Sie stünden nicht bereit, um das Chaos zu verlängern. Insgesamt hat man auch bei den Grünen aus den letzten Wahlen die Lehre gezogen, dass man sich nicht mehr absolut festlegen und vor allem nicht verschließen kann, außer gegenüber einem Bündnis mit den Rechten.

Habeck zitiert Strauß

Allerdings sehnt man bei den Grünen diesen Fall nicht herbei. „Ich erwarte von denen, die den Regierungsauftrag haben, dass sie regieren“, sagt etwa die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Lindlohr. Robert Habeck meint, er habe sich nie träumen lassen, dass er einmal der CSU raten würde: „Lest Franz Josef Strauß“. Strauß habe einmal gesagt „Bayern ist das größte, aber seine Zukunft ist europäisch“

Die Grünen würden im Fall der Fälle nicht Angela Merkel zuliebe einspringen, sondern um eine europäische und humane Flüchtlingspolitik zu ermöglichen , während FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schon feststellt: „Eine Politik, wie sie sich Angela Merkel und die Grünen vorstellen, geht nicht weiter.“

In der grünen Fraktion und Partei werden hinter verschlossenen Türen alle möglichen Szenarien diskutiert. Manche gehen davon aus, dass die Union sich bisher immer noch zusammengerauft habe und dies auch jetzt tue. Sicher ist sich niemand. „Wer nicht besorgt ist, hat nicht verstanden, was hier auf dem Spiel steht“, sagt Grünen-Chef Robert Habeck. Einige in der CSU hätten doch öffentlich eingeräumt, dass sie die Achse verschieben wollten. „Die CSU ist nach Rechtsaußen abgedriftet“, sagt auch der grüne bayerische Spitzenkandidat und Fraktionschef Ludwig Hartmann. Mit so einer CSU kann er sich für Bayern kein Bündnis vorstellen.“

Auch für Parteichef Habeck stellt sich jetzt die Frage, ob Deutschland auf den Kurs von Österreich, Ungarn und Polen einschwenke oder den Kurs Konrad Adenauers verfolgen, dass Deutschland und Europa keine Widersprüche sind.

Habeck empfindet es dabei als schlimm, dass es gar nicht um die eigentlichen Probleme gehe, sondern einzig und allein um die machtpolitische Auseinandersetzung zwischen CSU und Merkel, wie europäisch oder wie nationalistisch die deutsche Politik der Zukunft sei. Die Antwort auf Donald Trump könne doch nur sein, dass sich die Staaten Europas solidarisieren. Stattdessen aber finde in Deutschland eine innenpolitische Auseinandersetzung statt, die Deutschland und damit den potentiellen Motor der EU schwäche.

„Koalition der Vernünftigen“

„Die meisten gehen von einer Einigung zwischen CDU und CSU aus zu Lasten des europäischen Projekts“, sagt Robert Habeck. Für den Fall des Bruches des Regierungsbündnisses hat aber bislang kein Grüner ein Kenia-Bündnis (also Schwarz-Rot-Grün) kategorisch ausgeschlossen.

Im Gegenteil. Schon bei den Jamaika-Verhandlungen, als CSU und FDP die Verhandlungen erschwerten, sehnte sich so mancher Grüne – und auch viele in der SPD – nach einer „Koalition der Vernünftigen“. Der Nachteil ist allerdings den Grünen auch bewusst: FDP, CSU, Linke und AfD wären dann in der Opposition – da wäre wohl viel Populismus im Bundestag garantiert.

Der Preis der Grünen, Angela Merkel aus der Patsche zu helfen und aus europäischer Verantwortung im Regierungsbündnis die CSU zu ersetzen, wäre allerdings hoch. Sie würden mit Sicherheit einen für sie dicken Punkt heraushandeln, vermutlich ein grünes Ausrufezeichen beim Klimaschutz setzen.