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Regierungsumbildung

Französische Regierungsumbildung ohne Ambitionen

Paris / Lesedauer: 3 min

Frankreichs neuer Umweltminister François de Rugy steht nicht für eine ehrgeizigere Umweltpolitik
Veröffentlicht:04.09.2018, 21:35

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Genau eine Woche hat der französische Präsident Emmanuel Macron gebraucht, um sich von dem Schock zu erholen. Der beliebte Umweltminister Nicolas Hulot war überraschend zurückgetreten. In dieser Woche wurde so viel über Umweltschutz diskutiert wie selten zuvor. Eine grüne Kehrtwende des Präsidenten schien möglich zu sein in jenen sieben Tagen, in denen auch der Name des Grünen-Politikers Daniel Cohn-Bendit für die Nachfolge des enttäuschten Hulot kursierte.

Doch statt „Dany le Rouge“, der Ikone der 68er, übernimmt nun François de Rugy den schwierigen Posten. Einen „ökologischen Opportunisten“ nannte die Zeitung „Libération“ den Präsidenten der Nationalversammlung. „Es ist zu befürchten, dass der neue Minister die Politik von Emmanuel Macron blind umsetzt und der Stimme seines Meisters folgt“, erklärte die Umweltschutzorganisation Greenpeace .

Der 44-jährige de Rugy hat durchaus ein grünes Profil: Der Politiker ohne Charisma war jahrelang Fraktionschef der Grünenpartei Europe Écologie-Les Verts, bevor er sich den Sozialisten zuwandte, um später Macron zu unterstützen. Dafür wurde er im vergangenen Jahr mit dem Posten des Parlamentspräsidenten belohnt, den er nun für einen Vertrauten des Präsidenten frei macht. Der Fraktionschef von Macrons Partei La Republique en Marche (LREM), Richard Ferrand, kündigte kurz nach der Ernennung de Rugys an, sich für dessen Nachfolge zu bewerben. Schon lange werden Ferrand Ambitionen auf den Vorsitz der Assemblée Nationale nachgesagt. Doch Macrons Unterstützer der ersten Stunde war in eine Affäre um Vorteilsnahme verwickelt, die ihn im vergangenen Jahr auch zum Rücktritt aus dem Kabinett zwang.

Auch Sportministerium umgebaut

Mit dem prestigeträchtigen Posten des Parlamentspräsidenten kehrt er nun in die erste Reihe zurück. „Jeder gewinnt, nur der Umweltschutz nicht“, zitierte „Libération“ einen Grünenpolitiker zu der Personalentscheidung. Kandidaten wie der Leiter des WWF Frankreich, Pascal Canfin, oder die Verhandlungsführerin des Klimagipfels von Paris, Laurence Tubiana, gingen leer aus.

Macron verzichtete auch darauf, den Rücktritt Hulots zum Anlass für eine groß angelegte Regierungsumbildung zu nehmen. Neben dem Umweltministerium besetzte er nur das Sportministerium neu. Dort hatte die frühere Olympiasiegerin Laura Flessel am Dienstagmorgen überraschend ihren Rücktritt angekündigt. Die 46-jährige, die durch die frühere Weltklasse-Schwimmerin Roxana Maracineanu ersetzt wird, gab persönliche Gründe an. Medienberichten zufolge steht die frühere Fechterin allerdings im Verdacht des Steuerbetrugs. Mit Hulot und Flessel gehen die bekanntesten und beliebtesten Minister in Macrons Riege. „Rien ne va plus“ (Nichts geht mehr) titelte das „Journal du Dimanche“ bereits am Sonntag. Gemeint war nicht nur Hulot, sondern auch die Steuerpolitik, in der Macron eine Kehrtwende zu vollziehen droht. Eigentlich war vorgesehen, ab Januar 2019 das Steuersystem umzustellen und – so wie in Deutschland – die Einkommensteuer direkt vom Gehalt abzuziehen.

Doch vergangene Woche äußerte Macron plötzlich Zweifel an dieser Maßnahme, die noch von seinem Vorgänger François Hollande stammt. Der 40-Jährige, der bisher einen mutigen Reformkurs verfolgt hatte, schien damit zum Zauderer zu werden.

60 Prozent der Franzosen sind dafür, das Steuersystem zu ändern und der Praxis aus den anderen europäischen Ländern anzupassen. Doch die seit Jahren vorbereitete Umstellung am 1. Januar kommt für Macron zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Der Präsident, mit dem laut einer IFOP-Umfrage nur noch 31 Prozent der Franzosen zufrieden sind, kann nach gut einem Jahr im Amt noch keine Erfolge vorweisen.

Die Arbeitslosigkeit geht nur ganz langsam zurück und die Kaufkraft der Franzosen nimmt ab. Die geplanten Maßnahmen, die den Franzosen mehr Geld ins Portemonnaie bringen sollen, wären durch den direkten Steuerabzug ab 1. Januar nicht mehr messbar. Ein Grund für Macron, zurückzurudern.