StartseitePolitikEU und Türkei nähern sich vorsichtig an

Ausnahmezustand

EU und Türkei nähern sich vorsichtig an

Istanbul / Lesedauer: 2 min

Deutschland entschärft seine Reisehinweise. Auch aus den Niederlanden kommen Signale der Versöhnung.
Veröffentlicht:22.07.2018, 20:31

Artikel teilen:

Nach dem Ende des Ausnahmezustandes in der Türkei gehen europäische Staaten auf die Regierung in Ankara zu. Deutschland entschärfte seine Reisehinweise und strich Wirtschaftssanktionen, die wegen der Inhaftierung von Bundesbürgern in der Türkei eingeführt worden waren. Die Niederlande vereinbarten mit der türkischen Regierung den erneuten Austausch von Botschaftern. Eine völlige Normalisierung der türkisch-europäischen Beziehungen ist jedoch nicht absehbar, weil viele politische Differenzen fortbestehen.

Ankara vermisste nach dem Putschversuch von 2016 die Solidarität der westlichen Verbündeten und warf ihnen sogar eine Verwicklung in den Umsturzversuch vor. Die Türkei ließ westliche Bürger festnehmen, darunter den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Mit Nazi-Vergleichen reagierte Präsident Recep Tayyip Erdogan auf die Entscheidung europäischer Staaten, Wahlkampfreden türkischer Regierungspolitiker zu verbieten.

Die Antwort Berlins bestand aus einer Deckelung der Hermes-Bürgschaften für die Türkei, mit der Investitionen deutscher Firmen abgesichert werden, auf 1,5 Milliarden Euro. In der EU wandte sich die Bundesregierung zudem gegen den von der Türkei geforderten Ausbau der Zollunion. In Reisehinweisen wurde vor Verhaftungen und vor Risiken für Urlauber in den südtürkischen Feriengebieten gewarnt.

Die Niederlande zogen ihren Botschafter aus der Türkei zurück und verweigerten die Akkreditierung eines neuen Vertreters Ankaras in Den Haag. Mit dem Ende des Ausnahmezustandes am 18. Juli beginnt nun eine gewisse Entspannung. Die Bundesregierung schwächte die Reisehinweise ab; zu den Urlaubsgebieten heißt es nun, von dort seien „keine sicherheitsrelevanten Ereignisse“ gemeldet worden.

Warnung vor Verhaftungen bleibt

Der Hinweis auf willkürliche Verhaftungen von Bundesbürgern sowie auf Einreiseverweigerungen und auf den manchmal verzögerten konsularischen Zugang zu Betroffenen bleibt erhalten. Laut der „FAZ“ soll die Deckelung der Hermes-Bürgschaften nicht verlängert werden. Auch gratulierte Bundeskanzlerin Angela Merkel Erdogan am Rande des NATO-Gipfels vor zwei Wochen zu seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Juni.

Damit sind nicht alle Probleme ausgeräumt. Nach wie vor werden einige Bundesbürger durch die türkischen Behörden festgehalten. Die deutsche Übersetzerin Mesale Tolu unterliegt weiterhin einer Ausreise-sperre und darf die Türkei seit mehr als einem Jahr nicht verlassen. Erdogans Regierung will die Sonderregelungen des Ausnahmezustandes durch neue Gesetze ausgleichen, die den Sicherheitsbehörden ähnlich große Befugnisse beim Verhör von Verdächtigen und beim Verbot von Kundgebungen einräumen wie im Notstand.

Die EU-Kommission fordert deshalb von der Türkei „konkrete und dauerhafte Verbesserungen“ in Sachen Rechtsstaat als Vorbedingung für eine Rückkehr zu normalen Beziehungen. Bereits im Juni hatte Brüssel erklärt, die Ausweitung der Zollunion sei vorerst vom Tisch, weil sich Ankara von der Europäischen Union fortbewege.