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EU und Großbritannien nach dem Brexit: Verhandlungen über Fisch und Finanzdienstleister

London / Lesedauer: 3 min

Der britische Premierminister Boris Johnson stellt seinen Brexit-Plan vor – Großbritannien will wie Kanada sein
Veröffentlicht:03.02.2020, 21:15

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Vor dem Auftakt der nächsten Brexit-Verhandlungsrunde betreiben London und Brüssel psychologische Kriegsführung. In einer als programmatisch angekündigten Rede versprach der britische Premier Boris Johnson am Montag „kein Dumping“: Großbritannien werde auch weiterhin hohe Standards bei Arbeits- und Umweltschutz einhalten, sich aber nicht vertraglich darauf verpflichten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte London vor überhöhten Erwartungen: „Es gibt keinen Freifahrtschein in den Binnenmarkt, sondern immer nur Rechte und Pflichten.“ Von der Leyen bekräftigte damit ihre Botschaft, die sie den Briten bereits im Januar bei ihrem Besuch in London übermittelt hatte: „Unsere Partnerschaft wird nicht so eng sein wie zuvor.“ Bei der Verteidigung der Einheit von Binnenmarkt und Zollunion werde es keine Kompromisse geben.

Für seine Rede, in der das Wort Brexit kein einziges Mal vorkam, hatte Johnson britische Geschäftsleute und Botschafter europäischer Staaten in das Naval College von Greenwich in Südost-London eingeladen. Ausdrücklich positionierte der britische Premier sein Land als „unabhängiger Vorkämpfer und Impulsgeber für globalen Freihandel“; hingegen würden die Befürworter des Protektionismus „in Brüssel, in China, in Washington“ an Boden gewinnen.

Johnson erklärte erneut seine Präferenz für einen „ehrgeizigen Freihandelsvertrag“ mit dem größten Binnenmarkt der Welt. Eine Anpassung an dessen Regularien werde es aber auf keinen Fall geben. „Wir wollen einen umfassenden Freihandelsvertrag, vergleichbar mit Ceta“, sagte Johnson mit Blick auf Kanada.

Übers Wochenende war in Londoner Regierungsstuben auch das Verhältnis der EU zu einer anderen britischen Ex-Kolonie, Australien, als Vergleich ins Spiel gebracht worden. Allerdings hat Brüssel mit dem fünften Kontinent bisher keinen umfassenden Handelsvertrag, lediglich Vereinbarungen in einzelnen Sparten wie der Luftfahrt.

Der Brüsseler Chefunterhändler Michel Barnier stellte einen umfangreichen Handelsvertrag für Güter und Dienstleistungen in Aussicht. Dieses „großzügige Angebot“ beruhe jedoch auf zwei Voraussetzungen: Großbritannien müsse sich zu „offenem und fairen Wettkampf“ bekennen und entsprechende langfristige Garantien zusichern. Außerdem pochen EU-Staaten wie Frankreich und Spanien wie bisher auf umfangreichen Zugang zu den fischreichen Gewässern rund um die britischen Inseln.

London spricht ausdrücklich von bevorzugter Behandlung der eigenen Fischfangflotte und möchte alljährlich neu über Fangquoten mit Brüssel verhandeln. Auf beiden Seiten hat das Thema eine weit über seine wirtschaftliche Bedeutung hinausgehende emotionale Komponente. Fischfang und -export trugen im vergangenen Jahr 0,04 Prozent zum britischen Wertschöpfungsindex GVA bei. Hingegen lag der Anteil der Finanzindustrie bei 7,2 Prozent.

Appell der Finanzlobbyisten

Catherine McGuinness von der City of London, dem wichtigsten internationalen Finanzplatz der Welt, hat für diesen Dienstag Korrespondenten aus aller Welt zusammengetrommelt. Ihre Botschaft dürfte sich kaum von früheren Briefings unterscheiden: Die Finanzlobbyisten wünschen sich auch weiterhin den bestmöglichen Zugang zum Binnenmarkt. Dabei geht es vor allem um die gegenseitige Anerkennung von Datenschutzvorschriften sowie den begehrten Finanzpass, der Akteuren internationaler Unternehmen die Marktteilnahme sowohl auf der Insel wie auf dem Kontinent ermöglicht.

Dass die negativen Folgen eines harten oder gar chaotischen Brexit auch vor EU-Ländern nicht Halt machen würden, verdeutlichte am Montag eine Veröffentlichung der „Financial Times“. Im Fall gegenseitiger Einfuhrzölle für seine Produkte plane der japanische Automobilhersteller Nissan nicht etwa eine Werkschließung in Großbritannien, sondern in Barcelona und Frankreich. Weil Autos von Ford oder Volkswagen zukünftig auf der Insel deutlich teurer würden, so die angebliche Kalkulation, könne Nissan mit seinen im nordenglischen Sunderland produzierten Kleinwagen seinen Marktanteil von vier auf bis zu 20 Prozent steigern.