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EU-Chefsessel für den Wahlsieger ist nicht garantiert

Brüssel / Lesedauer: 2 min

Manfred Weber und Frans Timmermans wollen die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Juncker antreten. Doch es kann auch sein, dass am Ende keiner von beiden den europäischen Topjob bekommt.
Veröffentlicht:22.05.2019, 06:00

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Der Konservative Manfred Weber und der Sozialdemokrat Frans Timmermans wollen die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker antreten. Sie treten als Spitzenkandidaten ihrer Parteienfamilien bei der Europawahl an. Doch es kann auch sein, dass am Ende keiner von beiden den europäischen Topjob bekommt.

Dass es überhaupt europäische Spitzenkandidaten gibt, ist eine noch recht neue Entwicklung. Über Jahrzehnte haben die EU-Staats- und Regierungschefs den Präsidenten der Europäischen Kommission in Hinterzimmerdeals bestimmt. Durch den Reformvertrag von Lissabon wurde dem EU-Parlament ein Mitspracherecht eingeräumt. Die Parteien stellten deshalb bei der Europawahl 2014 erstmals Spitzenkandidaten auf. Die Konservativen nominierten Jean-Claude Juncker – und als sie stärkste Kraft wurden, bekam der Luxemburger den Posten des Kommissionschefs. Doch bei der diesjährigen Europawahl am kommenden Sonntag ist längst nicht sicher, ob sich dies wiederholen lässt.

Die Änderung 2014 sollte den Europawahlkampf angesichts stetig sinkender Wahlbeteiligung lebhafter machen. Unumstritten war sie aber schon 2014 nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zögerte mehrere Tage, bevor sie Juncker unterstützte – und gilt bis heute nicht als begeisterte Unterstützerin des Spitzenkandidaten-Prozesses – auch wenn sie offiziell hinter dem aktuellen konservativen Spitzenkandidaten Weber von der Schwesterpartei CSU steht.

„Kein Automatismus“

Ein Gegner des Spitzenkandidatenprozesses ist Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron: Dies sei nicht der richtige Weg und erst sinnvoll, wenn es länderübergreifende Kandidatenlisten für die Europawahl gebe, sagte er beim EU-Gipfel in Sibiu. Tatsächlich hatten die EU-Staats- und Regierungschefs schon bei einem Gipfel im Februar vergangenen Jahres betont, dass es auch 2019 „keinen Automatismus“ in der Frage des Kommissionschefs geben werde. Sie lesen den EU-Vertrag so, dass sie das alleinige Vorschlagsrecht haben und im Zweifel nicht an die Vorauswahl der Spitzenkandidaten gebunden sind.

Dies schürt Spekulationen, dass auch Brexit-Unterhändler Michel Barnier als möglicher Kommissionschef weiter im Rennen ist, obwohl der konservative Franzose kein Spitzenkandidat ist. Bei solch einem Vorschlag müssen die Staats- und Regierungschefs aber fürchten, dass ihr Kandidat im Europaparlament durchfällt.

Die notwendige mehrheitliche Zustimmung der EU-Abgeordneten bedeutet gleichzeitig, dass nicht unbedingt der Spitzenkandidat der stärksten Parteienfamilie auf den Posten des Kommissionschefs kommt. Keine Fraktion wird nach den Wahlen mehr als 50 Prozent der Abgeordneten stellen; Bündnisse gegen den Spitzenkandidaten des Wahlsiegers haben also durchaus Chancen. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Frans Timmermans will eine „progressive Allianz“ gegen Weber schmieden, dessen konservative Fraktion voraussichtlich erneut stärkste Kraft wird. Auch die Liberalen hoffen über ein Bündnis mit Macron, die Konservativen auszumanövrieren. Bei ihnen gilt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager als Anwärterin auf den Spitzenposten.