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Großleinwand

Ekrem Imamoglu: Dieser Mann ist Erdogans neuer Hauptgegner

Politik / Lesedauer: 3 min

Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan droht eine schmerzliche Niederlage: Bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul liegt Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu vorne. Wie dieser Mann es so weit geschafft hat:
Veröffentlicht:17.06.2019, 19:57

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Sie schauten auf öffentlichen Großleinwänden, in Kneipen und zu Hause vor dem Fernseher: Millionen Istanbuler haben vor der Wiederholung der Oberbürgermeisterwahl in ihrer Stadt ein dreistündiges Fernsehduell der beiden Hauptkandidaten verfolgt. In der recht trägen Diskussion wurde Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu , der in den Umfragen vorne liegt, der Favoritenrolle gegenüber seinem Rivalen Binali Yildirim gerecht: Imamoglu ist kurz vor der Wahl am kommenden Sonntag auf der Siegerstraße, da sind sich viele Beobachter nach der Live-Sendung sicher. Er wird damit zum neuen politischen Hauptgegner von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan , der inzwischen selbst die schlechten Aussichten für seinen Kandidaten Yildirim einräumt.

Imamoglu hatte die reguläre Kommunalwahl in Istanbul am 31. März knapp gegen Yildirim gewonnen und war damit über Nacht zum Shootingstar der türkischen Politik geworden. Auf Druck der AKP ordnete die Wahlkommission eine Neuauflage des Urnengangs für den 23. Juni an. Eine erneute Niederlage der AKP in der mit Abstand größten und reichsten Stadt der Türkei würde Erdogans Macht erheblich erschüttern.

Erdogans AKP hat Imamoglu die Opferrolle geschenkt

Imamoglu, der früher Bürgermeister des Istanbuler Stadtbezirks Beylikdüzü war, hat es nicht zuletzt der unabsichtlichen Hilfe von Erdogans Partei AKP zu verdanken, dass er zum Hoffnungsträger der Opposition in der ganzen Türkei geworden ist. Die höchst umstrittene Entscheidung zur Wiederholung der Bürgermeisterwahl hat dem 49-jährigen einen Opferstatus verschafft, den er geschickt einsetzt.

Zudem kann der fromme Muslim Imamoglu unterschiedliche Gruppen erreichen. Dazu gehören die Anhänger seiner eigenen säkulären Partei CHP ebenso wie konservative Istanbuler und kurdische Wähler. Imamoglus politisches Talent wird bereits mit dem des heutigen Staatspräsidenten Erdogan verglichen, der in den ersten Jahren nach dem Regierungsantritt der AKP im Jahr 2002 mit einer pragmatischen Haltung, politischen Reformen und Botschaften der Toleranz erfolgreich war.

Im Wahlkampf vor der regulären Wahl im März war Imamoglu noch weitgehend unbekannt. Umso größer war der Schock in der Regierungspartei, als Imamoglu im ersten Rennen gegen Yildirim siegte.

Diesmal nimmt die AKP den Herausforderer ernst. Politiker der Regierungspartei und regierungstreue Medien attackieren Imamoglu, um seine Popularität zu unterminieren. So verbreiteten AKP-Politiker das Gerücht, Imamoglu sei griechischer Abstammung und suggerierten damit, dass er ein vom feindlichen Ausland gesteuerter Kandidat sei. Die Kampagne ging für die AKP allerdings nach hinten los, weil der Vorwurf gegen Imamoglu auf seiner Herkunft von der Schwarzmeerküste beruhte, der früheren Heimat der so genannten Pontus-Griechen. Das Problem für die AKP: Hunderttausende Istanbuler, die wie Imamoglu vom Schwarzen Meer stammen, fühlten sich ebenfalls angegriffen.