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Todeslaster

Ein islamistischer krimineller Gefährder

Politik / Lesedauer: 3 min

Der Tunesier Anis Amri saß schon in Italien im Gefängnis – Sicherheitsdebatte kocht hoch
Veröffentlicht:22.12.2016, 20:29

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Der Verdacht gegen den 24-jährigen Tunesier Anis Amri erhärtet sich: Seine Fingerabdrücke waren am Todeslaster. Die Jagd auf den Terrorverdächtigen, der am Montag mit einem Sattelschlepper zwölf Menschen auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche getötet haben soll, läuft europaweit auf Hochtouren.

Inzwischen werden immer mehr Informationen über den mutmaßlichen Attentäter bekannt. Er galt als islamistischer Gefährder, einer von 549 in Deutschland, verhielt sich aber während seiner Observation in Berlin als Kleindealer so unauffällig, dass die Generalstaatsanwaltschaft dort nach eigenen Angaben ihre Beobachtung einstellte.

Medienberichten aus Italien und Tunesien zufolge war Amri auch dort eher kriminell als politisch-religiös inspiriert. Gefängnisstrafen wegen diverser Straftaten sollen demnach auf sein Konto gehen, darunter Raub, Körperverletzung und Brandstiftung. „Er schuf in der Klasse ein Klima des Schreckens“, schreibt die italienische Zeitung „La Stampa“ über die kurze Zeit des Tunesiers an einer Schule auf Sizilien 2011.

Amri kam nicht über die Balkanroute ins Land, sondern er ist einer jener jungen Nordafrikaner, die schon jahrelang in Europa leben. Er war 2015 aus Italien nach Deutschland eingereist. Dort geriet er schnell an die salafistische Szene. Inoffiziell bestätigten Sicherheitskreise am Donnerstag, dass es das Netzwerk rund um den im November festgenommenen Abu Walaa war. Er soll aber nicht zum festen Kern der Gruppe gehört haben. Abu Walaa gilt als salafistischer Chefideologe und mutmaßlicher Unterstützer der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Wegen seiner Internet-Auftritte, bei denen nur sein Oberkörper gezeigt wird, ist er der „Mann ohne Gesicht“ oder „Scheich von Hildesheim“.

NRW war „sehr eng“ an Amri dran

In Dortmund berichteten Anwohner den „Ruhr Nachrichten“, dass Amri dort zeitweise beim Deutsch-Serben Boban S. (36) gewohnt hat, jenem Salafisten, der mit Abu Walaa Anfang November festgenommen worden war. Als das Netzwerk um den Iraker Abu Walaa Anfang November zerschlagen wurde, war Amri den Behörden zufolge in Berlin. „Anis Amri war nach unserer Kenntnis im August zum letzten Mal in NRW “, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. „Die Sicherheitsbehörden in NRW waren, immer wenn er hier war, sehr eng an ihm dran. Er ist immer im Blick gewesen und unsere Erkenntnisse über ihn haben wir mit den anderen Behörden ausgetauscht.“

Dennoch fragen sich viele, wie es sein konnte, dass Amri in den vergangenen Monaten von den Behörden unbehelligt blieb. Die Union pocht deshalb auf eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik und auf Maßnahmen wie die Einführung von Transitzonen, elektronische Fußfesseln für Gefährder und eine Verlängerung der Abschiebehaft. Auch die Forderung, Tunesien und die andere Maghreb-Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, wurde von CDU und CSU am Donnerstag wiederholt. Transitzonen würden es ermöglichen, schon vor der Einreise die Identität von Flüchtlingen zu klären. „Und dann können wir die Frage beantworten: Einreise ja oder nein?“, sagte CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach.

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) sieht Nachholbedarf bei den Sicherheitsbehörden. „Wir werden uns noch intensiver mit den Personen beschäftigen, die von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestuft werden“, sagte Strobl nach Angaben einer Ministeriumssprecherin. „Die Sicherheitsbehörden brauchen zusätzliche Handlungsmöglichkeiten. Hier müssen wir nachjustieren.“ SPD-Fraktionsvize Eva Högl sprach sich ebenfalls für den Einsatz von elektronischen Fußfesseln aus: „Wir müssen die Gefährder noch besser im Blick haben.“

Unklar blieb weiter, ob Anis Amri Teil eines Terrornetzwerks war, das womöglich weitere Anschläge planen könnte. Im Chat mit einem Hass-prediger habe sich der Tunesier schon vor Monaten als Selbstmord-attentäter angeboten, berichtete das Magazin „Spiegel“. Die Äußerungen seien aber nicht konkret genug gewesen, um eine Festnahme zu rechtfertigen.