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Westbalkon

Die Trump-Show kennt nur Gewinner und Verlierer

Washington / Lesedauer: 4 min

Am Sonntag ist es zwei Jahre her, dass US-Präsident Donald Trump seinen Amtseid abgelegt hat
Veröffentlicht:18.01.2019, 21:02

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Vor zwei Jahren, als US-Präsident Donald Trump auf dem Westbalkon des Kapitols einen Eid ablegte, glaubten Optimisten, die Würde und Bürde des Amts würden ihn mit der Zeit zur Mäßigung bringen, zum Verzicht auf „alternative Fakten“. Doch 24 Monate später ist klar: So systematisch wie er hat noch nie ein US-Präsident die Wahrheit verbogen.

Neulich, um ein vergleichsweise harmloses Beispiel zu nennen, war Trump in New Orleans, wo er zu Farmern sprach. Da sitze er nun in seiner Limousine, das Biest genannt, und versuche die Preisschilder der Tankstellen zu lesen. „Ich sage, fahrt mal langsamer, Leute. Ich kann nichts erkennen. Und dann sehe ich, eine Gallone kostet 1,75 Dollar. Das ist nicht durch Zufall passiert, Leute. Glaubt ihr, Hillary Clinton hätte das hinbekommen?“ Typisch Trump: Im Oktober, Benzin war teurer geworden, nicht zuletzt wegen der Aussicht auf schärfere Wirtschaftssanktionen gegen Iran, waren andere schuld. Im Januar, als die Spritpreise wieder deutlich niedriger lagen, kehrte er zurück in den Modus, sich jeden Erfolg selbst zuzuschreiben.

Ähnlich verhielt es sich mit den Börsenkursen. Schon die Ankündigung massiver Steuersenkungen trug wesentlich dazu bei, ein Kursfeuerwerk an der Wall Street zu zünden, und Trump konnte sich gar nicht oft genug damit brüsten. Später drückten Zollschranken und die Aussicht auf Handelskriege auf die Stimmung. Nun prahlte der Präsident nicht mehr, nun machte er Jerome Powell, dem Chef der amerikanischen Notenbank mit ihrer Serie von Zinserhöhungen, verantwortlich für flauere Zeiten.

Als wäre es eine Seifenoper

Sich selber ins rechte Licht rücken, anderen den Schwarzen Peter zuschieben, sie niedermachen, wenn sie widersprechen: Das Getöse hat Methode, führt es doch dazu, dass sich alles immer nur um Trump dreht. Als wäre es eine Seifenoper mit wochentäglichen Fortsetzungen.

Bislang hatte er Glück, der Seiteneinsteiger, der im Alter von 70 Jahren erstmals in ein öffentliches Amt gewählt wurde. Weder wurden die USA in einen neuen Krieg verwickelt, noch hatten sie einen schweren Terroranschlag zu erleiden. Die Wirtschaft ist nicht in die Rezession geschlittert, die Arbeitslosigkeit ist auf historisch niedrige 3,9 Prozent gesunken, der Wegfall von Auflagen steigert Trumps Popularität in der Unternehmenswelt. Noch brummt der Motor. Im Übrigen hat der Präsident Ergebnisse vorzuweisen, die ihm selbst Kritiker in weniger aufgeladener Atmosphäre positiv anrechnen würden.

Nur stillschweigende Unterstützung

Kurz vor Weihnachten setzte er seine Unterschrift unter das Gesetz einer Reform des Strafrechts, das für den Beginn einer Trendwende steht: weg von bisweilen bizarr drakonischen Strafen, die die Zahl der Gefängnisinsassen auf mehr als zwei Millionen anschwellen ließen. Zudem versucht Trump, die Schieflage im Handel mit China zu korrigieren. Bei diesem Vorhaben kann er sich auf die stillschweigende Unterstützung etlicher Demokraten verlassen, die eine Korrektur gleichfalls für überfällig halten. Doch er polarisiert derart, dass kaum einer aus den Reihen der Opposition ihn dafür loben würde. Nüchternes Bilanzieren ist im öffentlichen Diskurs auf der Strecke geblieben. Die Trump-Show kennt nur Gewinner und Verlierer, als wäre das Weiße Haus eine Bühne.

Und weil sich alles nur um ihn dreht, mag dies Europäer zu der Annahme verleiten, dem „Ausrutscher Trump“ werde unter dessen Nachfolger (oder Nachfolgerin) die baldige Rückkehr zur „Normalität“ folgen. Eine Illusion. „Was immer das Gros der Amerikaner an Verständnis für die globale Rolle der Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg aufbrachte, begann mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nachzulassen, bis es mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan und der Finanzkrise endgültig zerbrach“, schrieben Antony Blinken und Robert Kagan, zwei Vertreter unterschiedlicher Denkschulen, vor wenigen Tagen in einem Essay für die „Washington Post“. „Wer auch immer 2020 die Wahl gewinnt, wird es schwer haben, sich einem Trend zu widersetzen, den es schon vor Trump gab und der Trump wahrscheinlich überleben wird“, prophezeien beide.

Mit der rhetorischen Brechstange

Nur: Trumpsche Politik wird eben nicht als Rückzug in die weltpolitische Bescheidenheit wahrgenommen, was sie in der Sache ja durchaus ist, sondern als das genaue Gegenteil – als ununterbrochene Konfrontation mit dem Rest der Welt. Falls es so etwas wie eine Trump-Doktrin gibt, scheint sie im ständigen Wandeln am Abgrund zu bestehen. Den Iran bombardieren, Nordkorea mit Feuer und Zorn überziehen, aus der Nato austreten, die Welthandelsorganisation WTO verlassen oder Robert Mueller feuern, den Sonderermittler der Russlandakte: Das sind nur einige Beispiele für Trumps Politik mit der rhetorischen Brechstange.

Er sei stolz, wenn er die Regierung wegen der Grenzsicherheit schließe, polterte Trump im Wortgefecht mit Chuck Schumer, der Nummer eins der Demokraten im Senat. Nun, da der Shutdown in die sechste Woche geht, hat er Mühe, von seiner Maximalposition abzurücken.