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Mord

Die Glaubwürdigkeit des Kronprinzen ist dahin

Istanbul / Lesedauer: 4 min

Mohammed bin Salman gefährdet mit dem Fall Khashoggi die Politik Saudi-Arabiens
Veröffentlicht:21.10.2018, 19:50

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Der Mord an Jamal Khashoggi wird zum Fiasko für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Das Verbrechen sollte einen lästigen Kritiker aus dem Weg räumen – erschüttert nun aber die gesamte Politik Saudi-Arabiens . Die immer neuen Versionen aus Riad zum Fall Khashoggi bestätigen nicht nur, dass der Thronfolger fast drei Wochen lang gelogen hat und mit rücksichtsloser Brutalität gegen Dissidenten vorgeht. Nach Einschätzung von Experten steht wegen des Mordes auch die westliche Unterstützung für den wirtschaftlichen Umbau Saudi-Arabiens infrage. In den politischen Beziehungen zum Westen könnte die vom Prinzen verschuldete Krise am Ende dem Rivalen Iran nützen.

Der barbarische Mord an dem Regimekritiker schockt die Welt: Allein dieses Entsetzen ist ein politischer Mühlstein für Saudi-Arabien. Selbst wenn die erste Abscheu der internationalen Gemeinschaft abgeklungen sein wird, dürfte der Mord im Konsulat dauerhafte Folgen für Riad haben.

Tod nach „Würgegriff“

Neben dem Image-Schaden für das Land ist da zunächst die Selbstzerstörung der politischen Glaubwürdigkeit einer bisher sehr selbstbewussten Regionalmacht. Die saudische Regierung behauptete wochenlang, sie wisse nicht, was aus Khashoggi geworden sei. Am Samstag erklärte sie, er sei bei einer „Schlägerei“ im Konsulat gestorben. Einen Tag später schob Riad eine andere Version nach: Der Regimegegner sei in einen „Würgegriff“ genommen worden, weil er bei einem Streit laut geworden sei. Dabei sei er gestorben.

Die ständig wechselnden Darstellungen zeugen entweder von amateurhaften Vertuschungsversuchen oder davon, dass sich die saudischen Regierungsbehörden von ihren eigenen Geheimdiensten immer neue Märchen auftischen lassen. Ganz gleich, was nun dahintersteckt: Wer soll in Zukunft noch saudischen Stellungnahmen glauben? Saudi-Arabien habe „öffentlich gelogen“, was nun die Position des Landes „völlig unterminiert“, schrieb der Nahost-Experte Michael Stephens von der britischen Denkfabrik RUSI auf Twitter.

Ein Ende des Debakels ist nicht in Sicht. Nach wie vor ist unbekannt, was mit Khashoggis Leiche geschehen ist. Nach der neuesten Version wurde sie in einen Teppich eingewickelt und einem türkischen Helfer übergeben, die sie verschwinden ließ. Auch der Versuch der Regierung, Thronfolger Mohammed aus der Schusslinie zu bringen, wird scheitern: Die Bestrafung enger Berater des Kronprinzen ist ein Bauernopfer, dass im Westen niemanden überzeugen dürfte. Politisch ist der 33-jährige Kronprinz, der oft nur MBS genannt wird, der Verantwortliche.

Die Konsequenzen reichen weit über Ansehensfragen hinaus. Ein Blick auf die Kernpunkte im Reformprogramm des Kronprinzen zeigt, wie groß der wirtschaftliche Schaden sein dürfte. Der anvisierte Umbau Saudi-Arabiens zu einem modernen Staat, der sich von der Ölindustrie löst und führend im Hightech-Bereich wird, erfordert die Hilfe von westlichen Technologie-Konzernen.

Schon vor den diversen saudischen Stellungnahmen vom Wochenende hatten führende Banker, Politiker und Unternehmer aus dem Westen ihre Teilnahme an einer Investorenkonferenz in Riad abgesagt – eine Schmach für den Prinzen, der sich bei dem Treffen als Reformer profilieren wollte. Ob der Siemens-Chef zur Konferenz kommen wird, ist noch unklar. Joe Kaeser habe sich noch nicht entschieden, teilte ein Konzernsprecher am Sonntag mit.

Aus dem erhofften Investitionsschub aus dem Ausland dürfte erst einmal nichts werden. Bereits im vergangenen Jahr gingen die ausländischen Direktinvestitionen in Saudi-Arabien laut Bloomberg stark zurück. Das hatte unter anderem mit der Unberechenbarkeit des Kronprinzen zu tun, der Rivalen aus der Königsfamilie unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung internieren ließ. Durch den Mord an Khashoggi dürfte der Ruf des Investitionsstandortes Saudi-Arabien noch mehr leiden.

Auf politischer Ebene droht MBS ebenfalls Ärger. Selbst US-Präsident Donald Trump, der immer wieder die Bedeutung der Partnerschaft mit Riad betont, ist mit den Erklärungsversuchen unzufrieden. Im US-Kongress wächst die Entschlossenheit, Saudi-Arabien die Grenzen zu zeigen.

Saudi-Arabiens Außenminister Adel al-Dschubeir hat die Tötung von Khashoggi – übrigens ein Neffe des reichen Waffenhändlers Adnan Khashoggi – als „gewaltigen Fehler“ bezeichnet. König Salman sei entschlossen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, sagte al-Dschubeir am Sonntag dem US-Sender Fox News. Er dementierte erneut jegliche Verwicklung der Regierung und des Kronprinzen Mohammed bin Salman in das Verbrechen.