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Politik / Lesedauer: 3 min

Londoner Syrien-Konferenz verspricht Milliarden an Hilfe für den Nahen Osten
Veröffentlicht:04.02.2016, 20:48

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An der Dramatik der Lage gibt es keinen Zweifel: Die Anrainerstaaten Syriens sehen sich durch die Millionen von Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegs-geplagten Land einer schier unlösbaren Aufgabe gegenüber. König Abdullah befürchtet einen „Dammbruch“ in Jordanien, wo die Syrer inzwischen 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sieht nach der jüngsten Bombardierung Aleppos weitere 300000 Menschen auf sein Land zukommen. Doch bei der Geberkonferenz in London stellte sich am Donnerstag heraus: Über die Großzügigkeit der Weltgemeinschaft gehen die Vorstellungen weit auseinander.

Das nach Königin Elizabeth II. benannte Kongreßzentrum im Brutal-Betonstil der 1970er-Jahre steht gegenüber der Westminster Abbey, praktisch im Schatten des britischen Parlaments. Auf die Zusammenkunft der Delegierten aus mehr als 70 Ländern, darunter mehr als 35 Staats- und Regierungschefs, fiel der Schatten der Nachrichten aus Genf: Die gerade erst begonnenen Gespräche zwischen den Konfliktparteien sind für mindestens drei Wochen „vorläufig unterbrochen“, wie der UN-Syrienbeauftragte Staffan de Mistura einräumen mußte. Eine politische Lösung, von der viele Redner in London hoffnungsvoll sprachen, ist also in weiter Ferne.

Viel für Ausbildung

Umso wichtiger sind die konkreten Initiativen, über die in London beraten wurde: Sie reichen von mehr Schulen für Kinder über zusätzliche Ausbildungsplätze für Jugendliche bis hin zu neuen Arbeitsplätzen für die Vertriebenen, aber auch für die einheimische Bevölkerung der Anrainerstaaten. Außerdem soll humanitäre Hilfe die hungernden und frierenden Menschen auf der Flucht erreichen. An den Beträgen lässt sich die Dringlichkeit des Flüchtlingsproblems ablesen. US-Aussenminister John Kerry stellte 825 Millionen Euro für humanitäre Soforthilfe in Aussicht, Gastgeber David Cameron nannte als britischen Beitrag bis 2020 1,56 Milliarden Euro. Während Frankreich in den nächsten zwei Jahren eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen will, legte Kanzlerin Angela Merkel mehr als das Doppelte auf den Londoner Konferenztisch.

1,2 Milliarden Euro sollen allein in diesem Jahr syrischen Flüchtlingen zugutekommen; davon geht eine Milliarde an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, 200 Millionen fliessen in ein Beschäftigungsprogramm, das kurzfristig einer halben Million Menschen Lohn und Brot verschaffen soll. Bis 2018 sollen weitere 1,1 Milliarden Euro hinzukommen.

Bern und Wien enttäuschen

Der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann erntete für seinen Beitrag von 44,7 Millionen Euro nur müden Applaus. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann machte mit den bisher geleisteten 38 Millionen Euro wenig Eindruck; bis 2019 will Wien weitere 60Millionen Euro zur Verfügung stellen. Dieses Geld sei „gut investiert“, betonte Faymann: „Wenn es in der Region Perspektiven gibt, begeben sich weniger Menschen auf die gefährliche Reise nach Europa.“ Außerhalb des Plenarsaals trafen sich Experten und interessierte Minister zu Beratungen. Der frühere britische Aussenminister David Miliband, heute Leiter des US-Hilfswerks IRC, sowie Hedgefonds-Milliardär George Soros gehörten zu den Zuhörern des deutschen Entwicklungshilfeministers Gerd Müller (CSU). Man dürfe „nicht nur auf die Genfer Verhandlungen starren“, sagte der Bayer, der erst vergangene Woche in der Region Dohuk im Nordirak zu Gast war. „Es gibt bereits befriedete Regionen. Für die brauchen wir einen Marshall-Plan.“ Als Koordinator versuchte Müller den zuständigen EU-Kommissar Johannes Hahn zu gewinnnen, der aber dankend ablehnte. „Die EU-Kommission hat wieder enttäuscht“, sagte Müller der „Schwäbischen Zeitung“. Seiner Ansicht nach, müsse der Brüsseler Haushalt umgeschichtet werden, denn das Thema werde Europa noch auf Jahre hinaus beschäftigen.