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Präsidentensitz

Der tiefe Fall von Lula da Silva

Politik / Lesedauer: 2 min

Hafturteil gegen Ex-Präsidenten Brasiliens schmälert seine Wahlchancen 2018
Veröffentlicht:13.07.2017, 19:59

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Er hatte sich das so schön ausgemalt. Im Oktober 2018 wollte Lula da Silva die Präsidentenwahl gewinnen und triumphal in den Palácio do Planalto zurückkehren. Der Präsidentensitz in Brasilia ist für den 71-Jährigen ja so etwas wie sein Wohnzimmer. Von hier aus hat der Politiker der linken Arbeiterpartei PT von 2003 bis Anfang 2011 das größte Land Lateinamerikas regiert und dabei auch die Welt verzaubert. Doch wenn es nach dem Richter Sérgio Moro geht, dann wird Lula da Silva die nächsten Jahre nicht im Palast, sondern im Knast verbringen.

Moro verhängte gegen den früheren Staatschef am Mittwoch eine Haftstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Der Vorwurf lautet auf Vorteilsnahme und Geldwäsche. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Bis zur Berufungsverhandlung bleibt Lula auf freiem Fuß.

Lob von Obama

Unter dem Staatsmann mit rauer Stimme und großem Charisma stiegen Millionen Brasilianer aus der Armut in die Mittelklasse auf. Ex-US-Präsident Barack Obama bezeichnete ihn einmal als den „beliebtesten Präsidenten des Planeten“. Doch der Politiker, der aus einfachsten Verhältnissen zum Star aufgestiegen war, ist tief gefallen. Er ist der erste Ex-Präsident Brasiliens, der wegen Vorteilsnahme verurteilt wird.

In einer aktuellen Umfrage des Instituts Datafolha liegt Lula bei etwa 30 Prozent – weit vor allen anderen Anwärtern auf das Präsidentenamt. Dennoch muss er um seine Kandidatur bangen. Zum einen wird die Verurteilung seine Umfragewerte nach unten drücken. Zum anderen dauert die Prüfung des Sachverhalts vor dem Berufungsgericht etwa ein Jahr. So könnte das Urteil, das über Lulas weitere Karriere entscheidet, erst kurz vor der Wahl fallen.

Seine Anwälte sprechen dann auch von „politischer Verfolgung“ ihres Mandanten, um seine Wiederwahl zu verhindern. Denn die Beweislage ist dürftig. Für den Bundesrichter Moro gilt es dennoch als erwiesen, dass Lula da Silva sein Amt dazu missbraucht hat, dem Baukonzern OAS lukrative Aufträge des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras zuzuschustern.

Dafür habe er von OAS im Gegenzug eine teure Penthouse-Wohnung im Seebad Guaruja, 100 Kilometer südlich von São Paulo, aufwendig renovieren lassen. Die Liegenschaft gehört zwar weder Lula noch seiner Familie, aber die teuren baulichen Veränderungen sollen nach den Wünschen von Lulas im Februar verstorbener Frau Letizia vorgenommen worden sein. Der Ex-Präsident hat die Vorwürfe immer bestritten.

Das erste Urteil in fünf anhängigen Verfahren gegen da Silva vertieft die Krise der Demokratie in Brasilien. Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff wurde vor knapp einem Jahr unter fragwürdigen Umständen ihres Amtes enthoben. Ihr wurden angebliche Haushaltstricksereien zum Verhängnis. Rousseffs Nachfolger ist ihr Vizepräsident Michel Temer, ein Hinterzimmer-Strippenzieher, dem auch Korruption vorgeworfen wird.