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Koalitionsverhandlung

Strobl über die CDU: kritische, aber konstruktive Stimmung

Stuttgart / Lesedauer: 6 min

Baden-Württembergs CDU-Vorsitzender Thomas Strobl spricht sich für ein neues Grundsatzprogramm aus
Veröffentlicht:23.02.2018, 19:16

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Nach den Koalitionsverhandlungen mit der SPD ist auch auch an der CDU-Basis Unruhe aufgekommen. Vor allem jüngere Mitglieder sprechen sich für eine Schärfung des konservativen Profils aus. Die designierte Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet positionieren sich hingegen klar gegen einen Rechtsruck.

Der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg und stellvertretende Bundesvorsitzende Thomas Strobl erklärt im Gespräch mit Kara Ballarin, Katja Korf und Hendrik Groth, wo er die Christdemokraten verortet sieht und was er sich von einem neuen Grundsatzprogramm erhofft. Die Stimmung vor dem Parteitag sei kritisch, aber auch konstruktiv.

Herr Strobl, was ist konservativ?

Der Konservative wirft einen liebevollen Blick auf die Welt und die Menschen, wie sie ist und wie sie sind. Davon geht er aus, und auf der Grundlage seiner Wertvorstellungen entwickelt er die Welt weiter. Für uns Christdemokraten ist die Basis das christliche Menschenbild. Der Konservative ist kein Ideologe. Er bewahrt Bewährtes, und wo es etwas zu verbessern gibt, erschafft er Neues.

Ist das Konservative wirklich ein Markenkern der CDU?

Mit dem Begriff Markenkern kann ich nicht viel anfangen, das klingt ein bisschen nach Waschmittelwerbung. Für die CDU gilt jedenfalls: Sie ist nicht eindimensional, sie hat viele Wurzeln. Sie ist freilich eine konservative Partei, sie ist auch eine Partei der Freiheit, der sozialen Marktwirtschaft. Und sie ist wegen ihrer christlichen Wurzel eine soziale Partei: Wir wissen, dass es nicht nur Starke, sondern auch Schwächere gibt, die Unterstützung brauchen.

Hat sich die Partei unter Angela Merkel zu stark verändert?

Wenn wir uns nicht verändern, gibt es uns irgendwann nicht mehr. Oder anders gesagt, die CDU ist konservativ in dem Sinn, wie Franz Josef Strauß gesagt hat: Der Konservative will immer an der Spitze des Fortschritts stehen. Deshalb ist es ein schöner Gedanke, der in der CDU Südbaden geboren wurde, dass wir uns der Aufgabe stellen, ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Das bietet die Möglichkeit zur Erneuerung und zur Profilbildung der Partei. Seit dem letzten Grundsatzprogramm hat sich die Welt stark gewandelt – ich sage nur die Stichworte Digitalisierung und Globalisierung, beim Klimaschutz, wir haben Entwicklungen in China, in den USA, in Russland, in der Türkei, wir haben neue Herausforderungen im Bereich der Sicherheit.

NRW-Landeschef Armin Laschet sagte in einem Interview, die CDU sei keine Sammlungsbewegung der demokratischen Rechten, Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder dagegen hält die Union genau dafür. Wie stehen Sie zu diesen Aussagen?

Solche Einteilungen helfen aus meiner Sicht nicht wirklich weiter. Wenn Sie schauen, wie ich als Innenminister handle, würden Sie mich bestimmt bei den Konservativen einsortieren. In Fragen der Wirtschafts-, Umwelt- oder Gesellschaftspolitik bin ich aber wohl eher ein Modernisierer. Das Schöne ist, die Union zeichnet die Fähigkeit aus, Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten, Interessen und Lebenserfahrungen zusammenzubringen. Deshalb ja auch der Name: Union.

Im Grundsatzprogramm von 2007 steht ganz prominent: Wir sind die Volkspartei der Mitte. Würde das in einem neuen Programm wieder so formuliert werden, nachdem etliche Stimmen in ihrer Partei einen Kurs weiter rechts fordern?

Wir stehen ganz am Anfang des Programmprozesses, da will ich als Vizevorsitzender der CDU Deutschlands nichts vorgeben. Aber persönlich bin ich absolut überzeugt, dass wir eine Volkspartei der Mitte sind. Freilich ist eine wichtige Aufgabe der Christlich Demokratischen Union, zur Mitte hin zu integrieren. Das ist uns mehr als ein halbes Jahrhundert ganz gut gelungen. Es gab auch schon mal Landtage mit NPD und Republikanern – aber die sind wieder verschwunden.

Was bedeutet das mit Blick auf die AfD ?

Die AfD bereitet mir freilich Sorgen. Nicht alle, und schon gar nicht alle Wähler, aber Einzelne in dieser Partei vertreten offen Rassismus und Antisemitismus. Dass die Parteiführung so etwas akzeptiert, vielleicht sogar instrumentalisiert, lässt tief blicken.

Sollte der Verfassungsschutz die Partei beobachten?

Wer beobachtet wird, entscheidet die Behörde selbst, nicht die Politik. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist kein politisches Kampfinstrument. Aber es gibt Tendenzen in dieser Partei, die die Verfassungsschützer im Blick haben. Und es gibt einzelne Personen, die diese Aufmerksamkeit verdienen.

Wie könnte in der CDU eine Integration rechts zur Mitte hin funktionieren?

In einer Debatte um ein Grundsatzprogramm müssen wir beispielsweise Antworten geben auf die Fragen der Migration, auf die Herausforderungen des islamistischen Terrors. Es geht darum, was Familie im 21. Jahrhundert heißt? Unsere Gesellschaft verändert sich durch Digitalisierung und Globalisierung in rasender Geschwindigkeit. Dabei ist klar: Wir vergöttern die Technik nicht, sie kann uns Wohlstand und Bequemlichkeit geben, aber keinen Lebenssinn. Antworten auf diese Fragen für die 2020er-Jahre zu erarbeiten – das ist etwas, worauf ich mich wirklich freue. Daran sollen sich viele beteiligen.

Nur Parteimitglieder?

Nein, natürlich nicht. Ich stehe dafür, die Türen und Fenster weit zu öffnen und frische Luft hereinzulassen: Wir sollten uns auch bei diesem Prozess nach außen hin öffnen, etwa bei Veranstaltungen. Debatte braucht vor allem eins: Zeit. Die sollten wir uns nehmen.

Am Montag wählt die CDU die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Einen 44-Jäh- rigen gegen eine 55-Jährige, etablierte Ministerpräsidentin auszutauschen – ist das die Verjüngung, die sich viele in der CDU wünschen?

Erstens ist man mit Mitte fünfzig noch längst nicht alt, zweitens kann der Begriff Verjüngung auch eher Erneuerung meinen. Und Annegret Kramp-Karrenbauer steht für diese Erneuerung.

Hat sie beim Parteitag am Montag die Unterstützung der Delegierten aus Baden-Württemberg ?

Am Donnerstag habe ich bei einem Treffen von Delegierten sowie Funktions- und Mandatsträgern in Stuttgart sehr für AKK geworben. Dafür habe ich viel, viel Zustimmung bekommen, und ich bin sicher, dass Annegret Kramp-Karrenbauer ganz viel Rückenwind aus Baden-Württemberg haben wird. Unser großes Delegiertenpaket stimmt für die neue Generalsekretärin!

Was ist Ihr Eindruck: Ist die Mehrheit der Delegierten für den Koalitionsvertrag?

Absolut. Die CDU steht bereit, eine gute, stabile und verlässliche Regierung zu bilden. Der Parteitag am Montag wird dem Koalitionsvertrag zustimmen.

Aus Überzeugung oder mit der Faust in der Tasche?

Die Stimmung ist kritisch – aber sie ist konstruktiv. Eine weitere große Koalition ist für uns ja auch nicht der Traum unserer schlaflosen Nächte. Sie steht für eine gute und stabile Regierung. Deshalb: Die CDU ist nicht mit euphorischem Hurra, aber mit Vernunft und Verantwortung für die große Koalition.

Ihr Parteifreund und Kabinetts-kollege Peter Hauk wünscht sich, dass Angela Merkel während der Legislaturperiode als Kanzlerin abtritt und den Weg frei macht für ihre Nachfolge. Hat er recht?

So habe ich Peter Hauk nicht verstanden. Ich arbeite dafür, dass das Land bald eine gute, stabile und verlässliche Regierung bekommt. Übrigens hoffe ich sehr darauf, dass sich auch bei der SPD-Basis die Vernunft durchsetzt. Dann kann Angela Merkel bereits am 14. März als Bundeskanzlerin gewählt werden.

Und was ist mit ihrem Posten als Parteivorsitzende?

Da gehe ich fest davon aus, dass sie beim Wahlparteitag der CDU in diesem Jahr wieder als Bundesvorsitzende zur Verfügung stehen wird. Die Geschichte der Bundesrepublik hat immer wieder gezeigt, dass die Ämter der Bundeskanzlerin und der Parteivorsitzenden sich sinnvoll ergänzen und zusammengehören.