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Klischee

Der Kampf gegen die Afrika-Klischees: Bundespräsident Steinmeier besucht Südafrika

Johannesburg / Lesedauer: 4 min

In Südafrika spricht der Bundespräsident über heikle Themen – und bringt ein willkommenes Geschenk mit
Veröffentlicht:20.11.2018, 19:42

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Mit den Klischees ist es so eine Sache. Manchmal werden sie auf das Schönste bestätigt. Als beispielsweise der Airbus 340 mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Bord zur Landung in Johannesburg ansetzt, leuchtet die rote Erde Afrikas in der Morgensonne wie auf einem nachkolorierten Fotokalender aus dem Eine-Welt-Laden. Und als es Zeit ist für den Nachmittags-Schauer der Johannesburger November-Regenzeit, da kübelt es in einer Weise los, dass sich die ansonsten wohlgeordnete deutsche Delegation in einen fluchenden und flüchtenden Haufen verwandelt.

Ein Land in der Zwischenzeit

Eigentlich aber soll die viertägige Reise Steinmeiers in die südafrikanischen Metropolen Johannesburg und Kapstadt sowie anschließend ins „Vorzeigeland“ Botsuana ausdrücklich Klischees bekämpfen. „Wir Europäer schauen noch immer zu sehr auf Afrika als einen großen Krisenkontinent“, sagt Steinmeier in einer Rede im Apartheids-Museum und fügt hinzu: „Meine Reise soll auch dazu dienen, den Menschen in Deutschland einen differenzierten Blick auf Afrika nahezubringen.“

Einen differenzierten Blick auch auf die aktuelle Lage in Südafrika , dessen Aufbruch in den Mandela-Jahren so viel Hoffnung weckte und dessen Rückfälle in Ungleichheit und Korruption in der Zuma-Zeit bitter enttäuschten. Lange hat auch Steinmeier daher einen Bogen um Südafrika gemacht. Seine Visite jetzt ist der erste deutsche Staatsbesuch seit 20 Jahren in dem Land am Kap, und er findet in einer Art Zwischenzeit statt, wie es in der deutschen Delegation heißt. Präsident Cyril Ramaphosa, der für einen Neuanfang steht, ist seit einigen Monaten an der Macht, aber er hat diese Macht noch nicht festigen oder gar ausbauen können. „Ich spüre, dass sich etwas verändert“, sagt Steinmeier; und diese Veränderungen will er mit seinem Besuch unterstützen.

Der Bundespräsident steht also am Dienstagmorgen neben Ramaphosa auf dem roten Teppich in Kapstadt. Die deutsche Nationalhymne wird protokollgemäß mit 21 Salutschüssen garniert, weswegen eine Handvoll Nilgänse laut schnatternd die Flucht ergreift. Die beiden Staatschefs nehmen beides professionell gelassen hin. Zwei Schritte dahinter stehen ihre Ehefrauen Elke Büdenbender und Tshepo Motsepe, Richterin die eine, Ärztin die andere. Motsepes Bruder ist ein milliardenschwerer Geschäftsmann. Einige aus der südafrikanischen Zivilgesellschaft fürchten, dass es Ramaphosa selbst mit der Wirtschaftsförderung übertreiben könnte.

Die Probleme liegen buchstäblich vor Ramaphosas Tür: Gleich hinter dem Zaun des Präsidenten-Amtssitzes Tuynhuys haben sich ein paar Obdachlose aus umgekippten Parkbänken einen Schlafplatz gebastelt.

Eindringlich wirbt Ramaphosa für den Standort Südafrika. Er geht dabei auch auf die laufende Landreform ein, die Angst vor Enteignungen geweckt hat: „Das wäre doch so, als würde man einen Gast zu sich nach Hause einladen und ihn dort seiner Besitztümer berauben. Wir tun so etwas nicht“, versichert er.

Wo sich die beiden Länder ähneln

Für einen differenzierten Blick wirbt Steinmeier auch beim Thema Flucht und Migration. Afrika – vor allem natürlich Nordafrika – ist aus deutscher Sicht ein Herkunftsgebiet von Flüchtlingen. Südafrika ist dagegen Aufnahmeland für Migranten und Asylsuchende aus dem Rest des Kontinents. Die Herausforderungen seien also durchaus ähnlich, stellt der Bundespräsident fest, der damit trotz der knapp 9000 Flugkilometer Abstand in der deutschen Innenpolitik angekommen ist. Allerdings nicht so sehr als Ratgeber, sondern eher als „Suchender“, wie er selber sagt. Dass das Wissen immer nur von Nord nach Süd fließt, auch das Klischee will Steinmeier zumindest ein wenig ankratzen. Partnerschaft mit Afrika heißt inzwischen die Devise.

Dahinter stehen handfeste Interessen: In den kommenden zwei Jahren beispielsweise sitzen Deutschland und Südafrika zusammen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, da können Bündnisse nicht schaden.

Ein Gastgeschenk des Bundespräsidenten hat Ramaphosa besonders gefreut. „Danke, dass sie deutschen Regen mitgebracht haben“, sagt er angesichts leerer Wasserreservoire am Kap gleich zur Begrüßung. Beim Besuch in Berlin vor einigen Wochen hatte Ramaphosa beinahe südafrikanisches Wetter erlebt. Es ist eben so eine Sache mit den Klischees.