Demokraten fordern die Amtsenthebung von Präsident Trump
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Donald Trump plant nicht, an der Amtseinführung seines Nachfolgers teilzunehmen. (Foto: Patrick Semansky / DPA)
Veröffentlicht: 8. Januar 2021, 21:13 Uhr Zuletzt aktualisiert: Uhr
Deutsche Presse-Agentur
Der abgewählte US-Präsident Donald Trump hat angesichts von wachsendem Druck eine geordnete Amtsübergabe versprochen und den Sturm des Kapitols in Washington durch seine Anhänger nach einigem Zögern verurteilt. „Wie alle Amerikaner bin ich empört über die Gewalt, Gesetzlosigkeit und das Chaos“, sagte Trump in einer Videobotschaft, die er am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter veröffentlichte. Es sei nun Zeit für „Heilung und Versöhnung“. Trumps ernster Ton in der Videobotschaft markierte eine Abkehr von seiner zuletzt meist aggressiven Rhetorik und den unbelegten Behauptungen zu einem angeblichen Wahlbetrug. Bei den Demokraten nahmen trotzdem die Forderungen nach einer raschen Amtsenthebung Trumps noch vor dem Machtwechsel am 20. Januar zu.
Der Republikaner brach unterdessen mit einer langen politischen Tradition: Er werde nicht an der feierlichen Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden teilnehmen, erklärte Trump am Freitag per Tweet. Bidens Amtseinführung vor dem Kapitol soll angesichts der Corona-Pandemie ohne das sonst übliche Massenpublikum stattfinden.
Frühere US-Präsidenten, darunter der Republikaner George W. Bush, haben bereits ihre Teilnahme an der Zeremonie zugesagt. Ob Vizepräsident Mike Pence teilnehmen würde, war zunächst noch unklar. Trumps Abwesenheit hat keine rechtliche Auswirkung — Biden wird auch ohne den Amtsvorgänger als neuer Präsident vereidigt werden.
Der künftige US-Präsident Joe Biden hat begrüßt, dass der scheidende Amtsinhabe seiner Amtseinführung fernbleiben will. Dies sei eine „gute Sache“, sagte Biden am Freitag in Wilmington im Bundesstaat Delaware. In dieser Frage seien Trump und er ausnahmsweise einer Meinung. Trumps Stellvertreter, der scheidende US-Vizepräsident Mike Pence sei bei der Zeremonie jedoch „willkommen“, sagte Biden. Es wäre eine Ehre, Pence dabei zu haben, betonte er.
Die Flaggen am Kapitol wurden am Freitag wegen der Krawalle vom Mittwoch auf halbmast gesetzt: Ein Polizist starb an den Folgen von Verletzungen, die er bei Zusammenstößen mit den Angreifern erlitten hatte. Damit kamen durch die Ausschreitungen mindestens fünf Menschen ums Leben. Eine Frau starb, nachdem sie im Kapitol von einem Polizisten angeschossen wurde. Eine weitere Frau und zwei Männer kamen laut Polizei infolge „medizinischer Notfälle“ ums Leben.
Trump hatte die Stimmung unter seinen Anhängern bei einem Auftritt vor den Krawallen mit abermaligen Behauptungen des Wahlbetrugs angeheizt. Inmitten des Chaos hatte er die Angreifer am Mittwoch in einem Video zwar zum Abzug aufgerufen, zugleich aber Verständnis und Sympathie für sie gezeigt („Wir lieben euch.“).
Neue Video-Botschaft am Tag danach
Erst einen Tag später - nachdem die politische Führungsriege in den USA, aber auch Regierungschefs aus anderen Ländern den Gewaltausbruch gebrandmarkt hatten — fand Trump deutlichere Worte. In seiner Videobotschaft sagte er nun, Gesetzesbrecher müssten bestraft werden.
Auch versprach Trump in dem Clip, sich der Amtsübergabe an den gewählten Präsidenten Joe Biden nicht weiter in den Weg zu stellen. „Eine neue Regierung wird am 20. Januar vereidigt werden“, sagte er. „Ich konzentriere mich nun darauf, eine reibungslose, geordnete und nahtlose Machtübergabe zu gewährleisten.“ Auch das war ein Bruch mit Trumps Aussagen der vergangenen zwei Monate: Er hatte sich bislang ohne Beleg als Sieger der Wahl dargestellt. Zunächst unbestätigten US-Medienberichten zufolge will Trump das Weiße Haus bereits am 19. Januar räumen und mit dem Regierungsflieger Washington verlassen.
Pelosi und Schumer fordern sofortige Amtsenthebung
Bis zur Vereidigung seines Nachfolgers am 20. Januar ist Trump weiter mit allen Befugnissen im Amt. Die Führung der Demokraten befürchtet, Trump könne die verbleibenden Tage nutzen, um Chaos zu stiften. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärte am Freitag, sie habe sich mit der Führung der US-Streitkräfte beraten, um einen „instabilen Präsidenten“ daran zu hindern, „Militärschläge zu beginnen“ oder einen „atomaren Angriff“ zu befehlen.
Nach dem gewaltsamen Sturm des Kapitols durch Anhänger Trumps hatten Pelosi und der oberste Demokrat im Senat, Chuck Schumer, gefordert, Trump sofort aus dem Amt zu entfernen. Auch zwei Republikaner sprachen sich öffentlich dafür aus.
Der Zusatzartikel 25 der US-Verfassung erlaubt es, den Präsidenten für unfähig zu erklären, „die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben“. Eine solche Erklärung müssten der Vizepräsident Pence und eine Mehrheit der wichtigsten Kabinettsmitglieder vornehmen. Sie müssten dies dann dem Kongress mitteilen. Der Präsident könnte Widerspruch einlegen, der wiederum überstimmt werden könnte. Dann wäre der Kongress am Zug. Bis zu einer Entscheidung dort wäre Pence amtierender Präsident. Der Kongress hätte aber 21 Tage Zeit, um abzustimmen — also bis nach Bidens Vereidigung am 20. Januar.
Drohung: Reguläres Impeachment im Kongress
Pelosi und Schumer riefen Pence auf, umgehend diesen Prozess in Gang zu setzen. Falls der Vizepräsident nicht handele und Trump nicht sofort das Weiße Haus verlasse, werde im Kongress ein reguläres Amtsenthebungsverfahren angestoßen, drohte Pelosi.
Trump hat bereits ein solches „Impeachment“-Verfahren im Kongress hinter sich: Im vergangenen Februar wurde er dabei von der Mehrheit seiner Republikaner im Senat freigesprochen. Trump wäre der erste US-Präsident, der sich zwei solcher Verfahren stellen müsste.
Kongressabgeordnete suchen Schutz, als Demonstranten das Gebäude stürmen. (Foto: Drew Angerer / AFP)
Trump-Unterstützer stoßen beim Versuch, das Kapitol zu stürmen, auf Polizei und Sicherheitskräfte. (Foto: JOSEPH PREZIOSO / AFP)
Trump-Unterstützer versuchen eine Absperrung vor dem Kapitol zu durchbrechen. (Foto: John Minchillo / DPA)
Polizisten beobachten Demonstranten in einem Flur in der Nähe der Senatskammer im Kapitol. (Foto: Manuel Balce Ceneta / DPA)
Unterstützer des US-Präsidenten Trump versuchen eine Absperrung vor dem Kapitol zu durchbrechen. Zahlreichen Personen gelang das später. (Foto: Julio Cortez)
Demonstranten gestikulieren vor der US-Kapitol-Polizei auf dem Gang vor der Senatskammer im Kapitol. (Foto: Manuel Balce Ceneta)
Polizisten versuchen Unterstützer des US-Präsidenten Trump vor dem Kapitol aufzuhalten. Inmitten von Protesten von Anhängern des abgewählten US-Präsidenten vor dem Kapitol haben die beiden Kammern des Kongresses ihre Sitzungen überraschend unterbrochen. (Foto: Andrew Harnik)
Trump-Unterstützer stoßen beim Versuch, das Kapitol zu stürmen, auf Polizei und Sicherheitskräfte. (Foto: JOSEPH PREZIOSO / AFP)
Trump-Unterstützer stoßen beim Versuch, das Kapitol zu stürmen, auf Polizei und Sicherheitskräfte. (Foto: JOSEPH PREZIOSO / AFP)
Ein Demonstrant ist während einer Konfrontation mit der Polizei bei einer Kundgebung am Kapitol verletzt worden. (Foto: John Minchillo / DPA)
Trump-Unterstützer stoßen beim Versuch, das Kapitol zu stürmen, auf Polizei und Sicherheitskräfte. Der noch amtierende Präsident hatte sie angestachelt, das Wahlergebnis nicht hinzunehmen. (Foto: JOSEPH PREZIOSO / AFP)
Trump-Unterstützer stoßen beim Versuch, das Kapitol zu stürmen, auf Polizei und Sicherheitskräfte. Der noch amtierende Präsident hatte sie angestachelt, das Wahlergebnis nicht hinzunehmen. (Foto: JOSEPH PREZIOSO / AFP)
Ein Demonstrant ist während einer Konfrontation mit der Polizei bei einer Kundgebung am Kapitol verletzt worden. Während der Kongress sich darauf vorbereitet, den Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden zu bestätigen, haben sich Tausende von Menschen versammelt, um ihre Unterstützung für Präsident Donald Trump und seine Behauptungen über Wahlbetrug zu zeigen. (Foto: John Minchillo)
Trump-Unterstützer stoßen beim Versuch, das Kapitol zu stürmen, auf Polizei und Sicherheitskräfte. Der noch amtierende Präsident hatte sie angestachelt, das Wahlergebnis nicht hinzunehmen. (Foto: JOSEPH PREZIOSO / AFP)
Trump-Anhänger feiern auf einem Gerüst, dass sie sich Zugang zum Kapitol verschafft haben. (Foto: JOSEPH PREZIOSO / AFP)
Die Polizei steht am Kapitol Wache, nachdem sie Trump-Anhänger abgehalten hat, die versucht haben, durch eine Polizeiabsperrung zu brechen. Während der Kongress sich darauf vorbereitet, den Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden zu bestätigen, haben sich Tausende von Menschen versammelt, um ihre Unterstützung für Präsident Donald Trump und seine Behauptungen über Wahlbetrug zu zeigen. (Foto: Julio Cortez / AFP)
Menschen suchen Schutz auf der Tribüne des Repräsentantenhauses, während Demonstranten versuchen, in die Repräsentantenkammer im US-Kapitol einzudringen. (Foto: Andrew Harnik / dpa)
Unterstützer des US-Präsidenten Trump versuchen eine Absperrung vor dem Kapitol zu durchbrechen. Inmitten von Protesten von Anhängern des abgewählten US-Präsidenten vor dem Kapitol haben die beiden Kammern des Kongresses ihre Sitzungen überraschend unterbrochen. Eine offizielle Erklärung für die abrupte Unterbrechung wurde zunächst nicht genannt. (Foto: Julio Cortez / dpa)
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Die Demokraten im US-Kongress könnten womöglich bereits in wenigen Tagen ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump auf den Weg bringen. Die Impeachment-Abstimmung im Repräsentantenhaus könne Mitte kommender Woche stattfinden, sagte die ranghohe Abgeordnete Katherine Clark am Freitag dem Fernsehsender CNN. In der von Demokraten beherrschten Kammer gilt eine Zustimmung als sicher. Das Verfahren käme danach allerdings in den US-Senat, wo eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist. Dafür wären auch Stimmen von Republikanern notwendig.
Trump hatte die Präsidentenwahl im November klar gegen Biden verloren. Bis zuletzt wehrte er sich jedoch mit allen Mitteln dagegen, die Niederlage zu akzeptieren. Die Proteste seiner Anhänger hatten sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses im Kongress gerichtet. Die beiden Kongresskammern bestätigten Bidens Sieg am Donnerstagmorgen jedoch trotz der Ausschreitungen offiziell.
Auch mehrere Republikaner warfen Trump offen vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt. Wegen des Angriffs auf das Kapitol kündigten am Donnerstag gleich zwei Mitglieder von Trumps Kabinett ihren Rücktritt an: Bildungsministerin Betsy DeVos und Verkehrsministerin Elaine Chao. Beide begründeten ihren Schritt mit dem von Trump angestachelten Aufruhr. Chao ist die Ehefrau des Mehrheitsführers der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell.