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Arztfehler

Bündnis will mehr Sicherheit für Patienten

Berlin / Lesedauer: 3 min

Neues Weißbuch formuliert Forderungen für alle Bereiche des Gesundheitswesens
Veröffentlicht:16.08.2018, 19:12

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Albtraum Arztfehler: Nicht erkannte Erkrankungen, falsche Medikamente, im Körper vergessenes Operationsbesteck: Mehr als 10 000 teils gravierende Fälle werden jedes Jahr von den Krankenkassen begutachtet. Zwar ist in den vergangenen Jahren einiges getan worden, in Sachen Patientensicherheit besteht aber weiter „akuter Verbesserungsbedarf“, erklären der Verband der Ersatzkassen (vdek) und das „ Aktionsbündnis Patientensicherheit “ (APS) am Donnerstag bei der Vorstellung des neuen Weißbuchs zum Thema. Die Organisationen pochen auf eine „Patientensicherheitsoffensive“ und legen einen Forderungskatalog vor. Tobias Schmidt stellt die wichtigsten Fragen zum Thema.

Wie ist es um die Patientensicherheit bestellt?

Bei fünf bis zehn Prozent aller Krankenhausbehandlungen in Deutschland treten „unerwünschte Ereignisse“ auf – von Druckgeschwüren über Fehldiagnosen bis hin zu schweren Infektionen. „800 000 dieser Ereignisse wären vermeidbar“, schreibt Professor Matthias Schrappe , Autor des Weißbuchs. Der Kölner Wissenschaftler hat zahlreiche Studien ausgewertet. Sein Fazit: Bei einer von hundert Behandlungen kommt es zu Fehlern. In jedem 1000. Fall hätte der Tod eines Patienten vermieden werden können. Mehr als 400 000 Patienten stecken sich in Deutschland jährlich in Krankenhäusern an. 30 000 von ihnen mit sogenannten multiresistenten Keimen.

Hat sich die Situation verbessert?

Es ist viel getan worden: Es gibt OP-Checklisten, damit kein Behandlungsbesteck im Körper vergessen wird. Die Aktion „Saubere Hände“ hat die Hygiene verbessert. Fehlermeldesysteme und ein verpflichtendes Qualitätsmanagement der Kliniken werden als gute Beispiele genannt. Dennoch: Mit Blick auf die Zahl der Behandlungsfehler und die „unerwünschten Ereignisse“ lasse sich gegenüber 2008 „keine Änderung“ erkennen, bilanziert Schrappe.

Was wollen die Ersatzkassen und das Aktionsbündnis erreichen?

Die Organisationen werben für ein Umdenken: „Patientensicherheit ist kein Kosten-, sondern ein Erfolgsfaktor“, erklärt die APS-Vorsitzende Hedwig Francois-Kettner am Donnerstag in Berlin. Wer in die systematische Vermeidung von Behandlungsfehlern investiere, helfe nicht nur den Patienten, sondern spare auch Geld, so die Botschaft.

Was sind die konkreten Forderungen

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Sieben Kernanliegen werden genannt. Die wichtigsten: Alle Organisationen des Gesundheitswesens von Arztpraxen über Pflegedienste bis zu Kliniken sollen gesetzlich verpflichtet werden, Verantwortliche für Patientensicherheit einzusetzen. Eine verbindliche bundeseinheitliche Hygiene-Richtlinie würde Infektionen minimieren. Die Teilnahme an Fehlermeldungssystemen sollte verpflichtend werden. Und ein Implantat-Register für Hochrisikoprodukte wie Herzklappen, Herzschrittmacher oder bestimmte Hörprothesen. Alle Hersteller, Kliniken und Krankenkassen (auch die privaten) müssten sich beteiligen.

Können sich die Patienten selber schützen?

Auch diese und deren Angehörige müssen aus Sicht von vdek und APS stärker einbezogen werden. Mit neuen Richtlinien soll der Austausch und die Aufklärung zwischen Medizinern und Patienten verbessert werden, schließlich seien die Betroffenen oft die Einzigen, die den gesamten Behandlungsprozess kennen würden. Dazu fordern die Organisationen auch regelmäßige Patienten- und Angehörigenbefragungen, deren Ergebnisse veröffentlicht werden müssten. Dies könne auch helfen, Überversorgung zu vermeiden.

Wie fallen die Reaktionen auf das Weißbuch au

s?

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion sieht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Pflicht: „Es ist zu hoffen, dass Spahn begreift, dass der massive Arbeitsdruck im Krankenhaus nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten, sondern auch die Sicherheit der Patienten ernsthaft gefährdet“, sagte Harald Weinberg. Mangelnde Krankenhaushygiene und Personalmangel würden sich gegenseitig bedingen. „Wer davor die Augen verschließt, handelt unverantwortlich“, so der Linkspolitiker. Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion forderte, dass alle Einrichtungen des Gesundheitswesens „verpflichtet werden, Strukturen zur Fehlervermeidung und Patientensicherheit einzuführen“. Auch der Medizinische Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) unterstützt eine Meldepflicht für Ereignisse, die zu schweren Schäden bei Patienten führen und zu vermeiden gewesen wären. „Nur so können Risiken und Sicherheitsmängel erkannt und zukünftige Schadensfälle verhindert werden“, sagte MDS-Vize Stefan Gronemeyer. Schon seit 1996 gelte dies für Arbeitsunfälle. Seitdem habe sich die Zahl tödlicher Arbeitsunfälle halbiert.