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Große Koalition

Bloß kein Jubel nach dem Ergebnis

Berlin / Lesedauer: 4 min

Sozialdemokraten wollen nun die Erneuerung der Partei vorantreiben
Veröffentlicht:04.03.2018, 21:12

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Ein spannender Morgen nach einer langen Nacht: Schon früh stehen die Journalisten bei minus 7 Grad in langen Schlangen vor dem Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale, in Berlin. Um 9 Uhr soll die Pressekonferenz sein, doch sie wird verschoben. Um 9.10 Uhr hört man vom fünften Stock im Willy-Brandt-Haus kurz Jubel aufbranden. Danach ist es wieder ganz still. Um 9.30 Uhr verkündet Dietmar Nietan, Vorsitzender der Zählkommission, das Ja zur Großen Koalition. An seiner Seite der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz , der mit unbewegter Miene vom Blatt abliest, dass das Ergebnis der SPD Kraft gebe. „Scholzomat“ war der Spitzname von Scholz, als der jetzige Hamburger Bürgermeister noch SPD-Generalsekretär war. Auch jetzt wirkt er fast automatisch. Bloß kein Jubel.

Auf den Treppen und an den Geländern im Willy-Brandt-Haus sieht man viele junge, nachdenkliche Gesichter, niemand klatscht. „Die waren todmüde“, erklärt Fraktionschefin Andrea Nahles, „und einige derer, die ausgezählt haben, waren gegen die GroKo“. Viel Kraft hat dieser Mitgliederentscheid alle gekostet. Und die Parteispitze will sich an diesem Morgen gewiss nicht triumphierend als Gewinner feiern lassen, sondern Kritiker und Mehrheiten versöhnen.

Auf dem Prüfstand

Vielleicht aber ging es vielen auch einfach so wie dem Biberacher SPD-Abgeordneten Martin Gerster. „Ich bin erleichtert, aber nicht im Freudentaumel“, sagt dieser. Er freut sich, dass das Votum so klar ist, aber er weiß auch, dass die SPD „einiges auf den Prüfstand stellen muss, damit sie bei der nächsten Bundestagswahl wieder besser, möglichst deutlich über 30 Prozent abschneidet.“

Das Gesicht des Widerstands, Kevin Kühnert , sieht an diesem Morgen enttäuscht aus. „Ich will nicht darum herumreden“, sagt der Juso-Chef im zugigen Durchgang des Willy-Brandt-Hauses. „Bei mir und vielen Jusos überwiegt heute die Enttäuschung.“ Schließlich sei man zu der Abstimmung angetreten, „weil wir uns durchsetzen wollten“, und man glaube immer noch, dass NoGroko die bessere Entscheidung gewesen wäre. Allerdings habe die Debatte gezeigt, dass der Erneuerungsprozess dringend notwendig sei, die Partei müsse wieder erkennbar werden. Die Jusos würden weiterhin darauf achten, dass aus Absichtserklärungen Politik werde, sagt Kühnert und appelliert an die Neumitglieder, dabei zu bleiben.

Die SPD hat zähe Wochen hinter sich. Nachdem es mit Jamaika nicht geklappt hatte, bewegte sich die Partei von ihrem strikten Nein hin zu einem Ja zu einer GroKo-Neuauflage, aber nur auf der Grundlage eines gut verhandelten Koalitionsvertrages. Ein Parteitag, ein Rücktritt des Parteivorsitzenden und ein Mitgliederentscheid waren nötig, um in Richtung Große Koalition zu marschieren. In den Wochen der Anbahnung und der Verhandlung haben die Kritiker gewarnt, das Profil der SPD könne in einer Großen Koalition verschwinden.

Viele hatten deshalb auch mit einem knapperen Ergebnis gerechnet, selbst die baden-württembergische Landeschefin Leni Breymeier. Auch dieses Ergebnis bedeute nicht, dass man jetzt mit Hosianna in die Verhandlungen gehe, sagt sie. Landauf, landab wurden in den letzten Wochen Pro und Contra diskutiert. Karl-Heinz Brunner, Bundestagsabgeordneter aus Illertissen, ist froh, dass die Mehrheit da ist. „Ich hoffe, dass wir tatkräftig in die Arbeit einsteigen können.“ Die Diskussionskultur in der Partei wurde seiner Ansicht nach gestärkt. „Wir haben in den Wochen des Mitgliedervotums sehr viel und fair diskutiert. Ich wünsche mir, dass diese faire und intensive Diskussion jetzt fortgeführt wird,“ sagt Brunner. Tolle Debatten habe man geführt, meint auch der linke Parteivize Ralf Stegner. Der Anteil der Nein-Stimmen zeige, dass man sich weiter um Vertrauen kümmern müsse.

Linken-Chef Bernd Riexinger hält das Vertrauen bereits für verspielt. Die SPD habe sich entschieden, sich als Steigbügelhalter für eine neue Große Koalition anzubieten. Sie gehe geschwächt in das Bündnis. Die Tafeln würden jetzt noch mehr Zulauf bekommen und die Koalition sei schon heute gescheitert. Gegen so viel Schwarzmalerei ist dann Olaf Scholz doch wieder fast ein Muntermacher. Mit Blick auf die innerparteilichen Debatten der vergangenen Monate sagt Scholz: „In der Diskussion sind wir weiter zusammengewachsen.“ Das gebe der SPD nun die Kraft, in der Regierung „unser Land auf den richtigen Weg zu bringen“ und die Erneuerung der Partei voranzutreiben.