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Bernd Riexinger setzt im Wahlkampf auf soziale Fragen

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Bernd Riexinger setzt im Wahlkampf auf soziale Fragen
Veröffentlicht:09.08.2021, 12:00

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In viele Kämpfe ist Bernd Riexinger in seinem 65-jährigen Leben schon gezogen – als Gewerkschaftsfunktionär, als Rädelsführer gegen die Agenda 2010, als Parteichef der Linken bei internen Fehden. Aktuell kämpft Riexinger wieder: Als Spitzenkandidat der baden-württembergischen Linken möchte er nach der Wahl am 26. September im Bundestag bleiben.

Politisch war Bernd Riexinger lange schon bevor er einer Partei beitrat. Der gelernte Bankkaufmann, der in Weil der Stadt aufgewachsen ist, war Geschäftsführer des Bezirks Stuttgart der Gewerkschaft Verdi . Bis er die Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) 2004 mitbegründete, die später mit der PDS zur Linken fusionierte, hatte er kein Parteibuch.

Acht Jahre lang hat er als Co-Vorsitzender neben Katja Kipping die Geschicke der Partei geleitet. „Stress pur“, nennt er die Aufgabe, die er dennoch gern gemacht habe. Seit Februar stehen nun Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow an der Spitze der Linken. „Ich genieße es, nicht mehr ständig unterwegs und für alles verantwortlich zu sein“, sagt Riexinger über seinen Rückzug. Jetzt habe er wieder etwas Zeit: für seinen kleinen Garten, der im „besten Zustand seines Lebens“ sei, für Freunde, für seine Lebensgefährtin, mit der er in Stuttgart-Süd wohnt, für seine Leidenschaft Kochen. Und dafür, alte Bande zu Betirebsräten und Vertrauensleuten der Automobilwirtschaft zu pflegen. „Ich habe bei der Linken meine Rolle auch immer darin gesehen, dass die Interesse der Beschäftigten an erster Stelle stehen. Diese Rolle will ich stärken“, sagt Riexinger.

Der Einzug in den Stuttgarter Landtag blieb ihm 2016 verwehrt – die Linke scheiterte damals, wie zuletzt im März, an der Fünf-Prozent-Hürde. Schon damals war bildete er mit Gökay Akbulut das Spitzenkandidaten-Team der Linken. Den Sprung in den Bundestag schafften beide 2017. Hier holte Riexingers Partei bundesweit 9,2 Prozent, im Südwesten 6,4 Prozent. „Das schlimmste als Parteivorsitzender war, jeden Tage mit den Prognosen aufzuwachen“, sagt er über Umfragewerte. Die aktuellen sehen die Linke im September bei sechs bis sieben Prozent. Riexinger glaubt, dass der Trend aber nach oben zeigt. „Wir haben stark drunter gelitten, dass wir in der Corona-Zeit nicht die lautesten Schreier nach Lockerungen waren wie AfD und FDP“, lautet Riexingers Analyse. So sei man eben weniger wahrnehmbar. In den sieben Wochen bis zur Wahl werden verstärkt soziale Fragen die öffentliche Diskussion bestimmen, glaubt er. „Das wird uns Auftrieb geben.“ Angst vor der Fünf-Prozent-Hürde habe er nicht. Im Gegenteil: „Ich glaube, dass wir große Chancen haben, gerade auch in Baden-Württemberg besser als beim letzten Mal abzuschneiden.“

„Ein bisschen stolz“ sei er darauf, eine gesamtdeutsche Linke mit aufgebaut zu haben. Gerade die Entwicklung im Westen sei erfreulich – die Zahl der Parteimitglieder habe sich in den vergangenen zehn Jahren auf 4000 verdoppelt. Vor allem viele junge Menschen hätten sich zuletzt angeschlossen. „Das tut der Partei gut“, sagt Riexinger.

Seine Aufgabe im neuen Bundestag sieht er darin, das Soziale mit dem Ökologischen zu vereinen. Gerne hätte er schon vor der Wahl ein solches Bekenntnis gemeinsam mit Grünen und SPD formuliert –dazu hätten vor allem die Grünen keine Lust. „Mein Traum wäre ein Politikwechsel: Nicht einfach nur eine andere Regierung, sondern eine, die armutsfeste Renten, radikalen Klimaschutz und friedliche Ausenpolitik macht. Das geht nicht mit CDU und nicht mit FDP“, sagt er.

Keine Waffenexporte, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr – macht sich die Linke durch solche roten Linien nicht selbst als Koalitionspartner unmöglich? „Ich glaube, dass die Verteilungsfrage der viel härterer Konflikt sein wird“, sagt Riexinger. Alle Parteien formulierten ambitionierte Ziele, ohne zu sagen, wie sie das finanzieren wollen. „Die Verteilung des Reichtums muss passieren, sonst sind die Möglichkeiten zu gering.“ Die brauche es aber, um die öffentliche Hand zu stärken, in Bildung und in den sozialen Umbau der Gesellschaft zu investieren. „Das wird die alles entscheidende Fragen sein.“