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Ohrfeige

Beate Klarsfeld – die Frau mit der Ohrfeige wird 80 Jahre alt

Paris / Lesedauer: 3 min

Für ihren symbolischen Akt wurde sie verurteilt, musste aber nie ins Gefängnis
Veröffentlicht:12.02.2019, 20:41

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Gemeinsam mit ihrem Mann spürte Beate Klarsfeld Naziverbrecher wie Klaus Barbie auf. An diesem Mittwoch wird die Berlinerin 80 Jahre alt.

„Sind Sie Engländerin?“ Mit dieser Frage, gestellt im Mai 1960 an der Pariser Metro-Station Porte de Saint-Cloud, ändert sich auf einen Schlag das Leben von Beate Künzel. Die 21-Jährige, gerade erst als Au-pair-Mädchen aus Berlin in der schicken französischen Hauptstadt angekommen, trifft auf Serge Klarsfeld , einen jüdischen Historiker. Er, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde, bringt der jungen Deutschen die Verbrechen der Nazis ins Bewusstsein. „Ein Jude und eine Deutsche: Ihr seid ein außergewöhnliches Paar“, sagt der Bürgermeister bei der Trauung 1963.

Seinen Kampf gegen das Vergessen nimmt dieses Paar 1967 auf, nachdem Beate wegen eines Artikels über die Nazivergangenheit von Kurt Georg Kiesinger vom deutsch-französischen Jugendwerk entlassen wird. Jetzt begibt sie sich erst recht auf die Spuren des Bundeskanzlers. Die Suche endet am 7. November 1968 mit einer spektakulären Aktion: Die junge Deutsche, die inzwischen auch einen französischen Pass hat, ohrfeigt Kiesinger beim CDU-Parteitag in Berlin . Schon Monate vorher hatte sie von der Zuschauertribüne des Bundestags aus drei Worte gerufen: „Kiesinger, Nazi, abtreten“.

Rote Rosen von Heinrich Böll

Ob es sie stört, dass sie auf ewig die Frau bleibt, die den Kanzler geschlagen hat, wird Beate Klarsfeld auch 50 Jahre später noch oft gefragt. „Nein, das hat mich bekannt gemacht. Es war ein symbolischer Akt, der für immer in den Geschichtsbüchern bleiben wird“, sagt sie 2015 in einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Schriftsteller Heinrich Böll schickt ihr für die Tat rote Rosen. Ihre Gefängnisstrafe in Deutschland muss sie nie antreten.

Die Ohrfeige ist für die zierliche Frau der Anfang eines langen Kampfes für die Bestrafung der Verantwortlichen für den Massenmord an den Juden. 1971 spüren die Klarsfelds den „Schlächter von Lyon“, Klaus Barbie, auf, der 1983 an Frankreich ausgeliefert und 1987 verurteilt wird. Sie fahnden nach Josef Mengele und Alois Brunner, der für den Tod von 130000 Juden verantwortlich gemacht wird und sich bis zu seinem Lebensende in Syrien versteckt. Meist steht Beate im Vordergrund, während Serge die Planung übernimmt. Ihr Engagement bringt der Berlinerin 2012 die Kandidatur für das Bundespräsidentenamt für die Linke ein. Sie verliert zwar haushoch gegen Joachim Gauck. Der zeichnet sie aber später mit dem Bundesverdienstkreuz aus.

Auch im Alter arbeiten die Klarsfelds weiter in ihrem mit Büchern und Zeitungsartikeln vollgestopften Büro in der Pariser Rue Boetie. Die Gegenwart macht dem Paar Angst. In der Zeitung „Le Figaro“ veröffentlichten Beate und Serge Klarsfeld deshalb zusammen mit ihrem Sohn Arno im vergangenen Jahr einen Beitrag, in dem sie vor wachsender Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Antisemitismus in Europa warnen: „Die politische Zukunft hängt nicht nur von den anderen ab. Sie liegt bei jedem Einzelnen von uns“, heißt es darin.