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Berlin

Arbeitgeber in Deutschland müssen Arbeitszeiten von Angestellten systematisch erfassen

Berlin / Lesedauer: 3 min

Europäischer Gerichtshof verpflichtet EU-Staaten zu Maßnahmen, um ausufernde Überstunden zu unterbinden. Urteil kann große Auswirkungen auf Deutschland haben.
Veröffentlicht:14.05.2019, 10:07

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Arbeitgeber sollen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet werden, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen.

Alle EU-Staaten müssten dies durchsetzen, entschieden die obersten EU-Richter am Dienstag in Luxemburg. Nur so lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeitszeiten überschritten würden. Und nur das garantiere die in EU-Richtlinien und in der EU-Grundrechtecharta zugesicherten Arbeitnehmerrechte.

Auswirkungen auf Arbeitsalltag in Deutschland

Das Urteil könnte große Auswirkungen auf den Arbeitsalltag auch in Deutschland haben. Denn längst nicht in allen Branchen werden Arbeitszeiten systematisch erfasst.

Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft, die den dortigen Ableger der Deutschen Bank verpflichten wollte, die täglich geleisteten Stunden ihrer Mitarbeiter aufzuzeichnen und so die Einhaltung der vorgesehenen Arbeitszeiten sicherzustellen.

Wie in Deutschland besteht in Spanien bislang nur eine Pflicht zur Erfassung der Überstunden. Von der Deutsche Bank SAE hatte die Gewerkschaft CCOO aber verlangt, ein System zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit einzuführen. Andernfalls könnten auch die Überstunden nicht korrekt ermittelt werden.

53,7 Prozent der Überstunden in Spanien würden daher nicht erfasst. Der Nationale Gerichtshof in Spanien legte den Streit dem EuGH vor. Und der gab der Gewerkschaft nun Recht.

Alle EU-Staaten müssen System zur Erfassung der Arbeitszeit etablieren

Danach müssen alle EU-Staaten „ein System einrichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“. Zur Begründung verwiesen die Luxemburger Richter nicht nur auf die Arbeitszeitrichtlinie, sondern auch auf die Grundrechtecharta der EU .

Diese verbürgten „das Grundrecht eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten“. Ohne ein System der Arbeitszeiterfassung sei dies nicht zu gewährleisten.

Arbeitsmarktforscher sehen das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Arbeitszeiterfassung gelassen. An der der bisher schon im deutschen Arbeitszeitgesetz geregelten Praxis werde sich dadurch wenig ändern, ist Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) überzeugt.

Spezialfälle in einigen Branchen

„Schon jetzt muss nach dem Gesetz die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit, also Überstunden, erfasst werden. Dafür muss die reguläre Arbeitszeit bekannt sein“, sagte Weber am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Das bedeute, dass der Arbeitgeber schon jetzt die reguläre Arbeitszeit „feststellen“ müsse.

„Und wenn eh schon Überstunden festgehalten werden, ist die Erfassung der regulären Arbeitszeit ein denkbar kleiner Sprung“, ist Weber überzeugt. Dennoch könne es „Spezialfälle“ in einigen Branchen geben, in denen die Erfassung der regulären Arbeitszeit unpraktikabel sei, räumte Weber ein.

Aber auch die sogenannte Vertrauensarbeitszeit bedeute nicht, dass die Arbeitszeit in Betrieben nicht erfasst werde. Sie werde lediglich vom Arbeitgeber nicht kontrolliert, gibt der Leiter des IAB-Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen zu bedenken. Allerdings lasse das Arbeitszeitgesetz Ausnahmen bei leitenden Angestellten und anderen Führungskräften zu.