StartseitePanoramaWigald Boning im Interview über Fußball-Euphorie und WM-Notstalgie

Fernsehlandschaft

Wigald Boning im Interview über Fußball-Euphorie und WM-Notstalgie

München / Lesedauer: 7 min

Wigald Boning über seine Fußballbegeisterung, WM-Nostalgie und die komische Seite des Sports
Veröffentlicht:08.06.2018, 19:06

Artikel teilen:

Man kennt ihn als Komiker, Musiker und Moderator: Wigald Boning ist aus der deutschen Fernsehlandschaft kaum wegzudenken. Derzeit geht er in der Doku „Deutschland – Deine Fußballseele“ beim Bezahlsender Sky History der Begeisterung für das runde Leder nach. Im Interview mit Patrick Strasser spricht der 51-Jährige über Fußballerinnerungen, persönliche Helden und das diesjährige WM-Gastgeberland Russland .

Herr Boning, erzählen Sie uns von Ihren ersten Erinnerungen an eine WM.

Ich war sieben Jahre alt als meine Eltern mit mir Urlaub in Großenbrode an der Ostsee machten. Eines Nachmittags übe ich am Strand Handstand, nee – Kopfstand war's. Handstand kann ich bis heute nicht. In der Ferne höre ich plötzlich großen Jubel. Nach einer Weile gehe ich zurück zu meinen Eltern, die in einer Art Schrebergarten im Vorzelt eines Wohnwagens sitzen und das Endspiel der WM 1974 gucken. Aber ich kannte mich mit dem Spiel nicht aus. Vier Jahre später war das ganz anders, ich hatte mir inzwischen die Regeln angeeignet und ein Panini-heft komplett gefüllt. Ich wusste ja: Deutschland ist Weltmeister und geht in Argentinien als Favorit an den Start – umso größer dann natürlich die Enttäuschung.

Die Schande von Cordoba, das 2:3 gegen Österreich.

Danach habe ich das Panini-Heft für zehn Mark auf dem Flohmarkt verkauft.

Ein Fehler.

Ein großer Fehler. Seitdem habe ich, bis heute, nie wirklich Vorfreude auf eine WM. Weil ich mich eben als Kind zu sehr vorher gefreut hatte. Also halte ich emotional den Ball flach (lacht) und lasse mich dann im Laufe der Vorrunde mitreißen – so war es auch meist.

Welche war die spannendste WM, die Sie miterlebt haben?

Gehen wir sie mal durch. 1982 und 1986 war ich in der Pubertät und mehr mit Jazzmusik beschäftigt, da habe ich die Turniere nicht so verfolgt. Von 1990, dem Titelgewinn, habe ich noch jedes Spiel präsent. 1994 in den USA war ich dabei und habe für die „ RTL Nachtshow“ von Thomas Koschwitz Einspieler gedreht. Von 1998 weiß ich noch, dass ich wahnsinnig geschrien habe, vor dem Fernseher liegend, weil ich mich über so viel Unfähigkeit der Deutschen so aufgeregt habe. 2006 habe ich von der Heim-WM viel mitbekommen, obwohl ich nicht bei den Spielen war. Daran habe ich die schönsten Erinnerungen.

Welche denn zum Beispiel?

Vor dem Spiel England gegen Schweden in Köln befürchtete man Ausschreitungen und Schlägereien und dann sehe ich, wie die Fans am Rheinufer nebeneinander in der Sonne liegen und gemeinsam picknicken. Damals hatte ich viel mit ausländischen Kollegen zu tun und komischerweise so ein Gastgeber-Gefühl. Obwohl ich privat gar nicht so der große Gastgeber bin. Ich habe selten Gäste, das nervt manchmal ein bisschen. Irgendwie fühlte ich mich bei der WM 2006 mitverantwortlich, dass alles läuft.

Wie kamen Sie zu Ihrer Rolle als Protagonist dieser Fußball-Doku im Rahmen des globalen TV-Events „History of Football“?

2016 habe ich für „History“ bereits „Die Geschichtsjäger“ gedreht. Ich musste kaum fünf Sekunden überlegen und habe sofort zugesagt. Außerdem war es lange her, dass ich mich beruflich so ausführlich mit Fußball beschäftigt habe. 1994 eben, mit Olli Dittrich . Da hatten wir etwas Lagerkoller, weil wir kurzentschlossen in die USA gereist sind und zu spät dran waren. Unsere Hotelzimmer lagen 120 Kilometer außerhalb von Chicago. In diesen drei Wochen kam extremer Lagerkoller auf. Olli hat auf einem Automaten in der Hotellobby so lange „Pac-Man“ gespielt bis er zum Arzt musste. Dann hat er mit der anderen Hand weitergespielt.

Welcher Spieler war der persönliche Held Ihrer Kindheit?

Franz Beckenbauer, dieser fürstliche Regisseur. Zumal ich als Stürmer nichts taugte, das habe ich schon mit zehn gemerkt. Also war ich eher ein defensiver Mittelfeldspieler. Die Rolle, dass man da hinten steht, dirigiert und ein wenig abräumt, fand ich gut. Als Werder-Fan habe ich für den legendären Torhüter Dieter Burdenski geschwärmt.

Wie verlief die eigene „Fußball-Karriere“ als Schüler und Jugendlicher?

In meiner Kindheit habe ich meist Bälle auf Garagentore geschossen, war also ein richtiger Straßenfußballer. Im Verein war ich nie. Ich habe viel probiert: Handball, Turnen, alles Mögliche; bin dann aber bei der Leichtathletik hängengeblieben.

Wie schauen Sie Fußball im TV?

Weil mich das immer so mitnimmt, gehe ich ungerne raus. Ich schaue am liebsten zu Hause, weil ich dann schreien, schimpfen und schmutzige Worte benutzen kann. Das kriegt dann keiner mit. Wenn Island gewinnt, freue ich mich am meisten. Ich war und bin nie Deutschland-Schlachtenbummler gewesen, stets Werderaner. Weil sich meine Cousins im Alter von acht Jahren dem HSV zugewandt haben, bin ich Werder-Fan geworden. Einer meiner Söhne ist glühender Bayern-Anhänger, schon immer. Der andere ist Werder-Fan, na ja, war er. Das klingt gerade ab, er ist nicht mehr so leidenschaftlich interessiert. Er studiert Film, ist in einer anderen Welt.

Wie stehen Sie zu Russland als Ausrichterland dieser WM?

Zur politischen Situation kann man ganz viel Für und Wider anführen. Die WM 1978 in Argentinien wurde auch nicht boykottiert, trotz der Menschenrechtsverletzungen und Folterungen durch die Militärdiktatur. Ich war noch nie in Russland, dafür ein paar Tage in der Ukraine – fand das aber sehr interessant. Und Russland ist ein Fußballland mit viel Tradition, ganz anders etwa als Katar, der Gastgeber von 2022.

Zu Ihrem Metier: Wo findet man Comedy im Fußball? Nur in Slapstick-Momenten?

Sport und Humor sind eigentlich Antagonisten, eine Schnittmenge ist jedoch vorhanden. Aber wenn ich ein wichtiges Spiel von Werder verfolge, bin ich nicht zu Scherzen aufgelegt.

Typen wie Ex-Bayerntorwart Sepp Maier haben Leichtigkeit ins Business Fußball reingebracht.

Den finde ich bis heute gut, ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Man freut sich, wenn Spieler nicht so glattgeschliffen sind, sondern exzentrisch wie früher etwa Mario Basler.

Wen aus der heutigen Spielergeneration würden Sie als Talent scouten?

Thomas Müller steht in der Tradition von Sepp Maier und haut auch mal einen Spruch raus – vielleicht könnte man ihn sich auch mal auf einer Bühne vorstellen – aber die Jungs haben doch keine Zeit für sowas.

Unfreiwillig komisch waren auch stets die WM-Songs der deutschen Nationalmannschaft.

(lacht laut): Und wie! Das machen die heutzutage leider nicht mehr. Peter Alexander, Michael Schanze, Udo Jürgens – wer da alles dabei war! Und als Höhepunkt 1994 Village People mit „Far Away in America“. Sau- gut und andererseits lustig. Ich habe neulich meine Schallplattensammlung aufgelöst und größtenteils verhökert. Zu den zehn Platten, die ich behalten habe, gehört das offizielle Album der Nationalelf zur WM 1974. Ein großes Kunstwerk.

So ein WM-Song muss doch mal wieder her! Herr Boning, bitte übernehmen Sie!

Ich wäre sofort dabei! Olli Dittrich und ich bieten uns selbstverständlich an. Hier ist unser Hilfsangebot für Herrn Bierhoff: Wir haben die Lösung für das Problem, dass der deutsche Fußball ein klein wenig glatt worden ist. Wir erledigen das. Und wenn der DFB uns fragt, können wir uns dem Dienst fürs Vaterland natürlich nicht entziehen.