Klassentreffen
Warum Til Schweiger nicht an die Ehe glaubt
Berlin / Lesedauer: 8 min
Mit der Komödie „Klassentreffen 1.0 – Die unglaubliche Reise der Silberrücken“, die auf einem dänischen Filmhit basiert, konnte Til Schweiger (56) als Autor, Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller 2018 mehr als eine Million Zuschauer in die deutschen Kinos locken. Jetzt ist die Fortsetzung der Geschichte im Filmtheater zu erleben. André Wesche hat mit Til Schweiger über „Die Hochzeit“, deutsche Schlager und Szenen, die das Leben schrieb, gesprochen.
Herr Schweiger, wie oft werden Sie zu irgendwelchen Hochzeiten eingeladen?
Nicht so oft. Ich war aber schon auf ein paar Hochzeiten. Tatsächlich haben mich Fans schon öfter zur Hochzeit eingeladen. Ich finde den Gedanken wirklich süß, aber ich habe leider nicht die Zeit, um dort hinzugehen. Ich habe aber schon viele Grüße über Video verschickt.
Halten Sie die Institution der Ehe noch für zeitgemäß?
Nicht wirklich. Ich habe das Konzept auch nie verstanden. Wenn jemand wirklich das Bedürfnis zu heiraten verspürt, dann soll er es machen. Aber ich glaube nicht, dass so ein Vertrag eine Garantie sein kann, dass man wirklich ein Leben lang zusammenbleibt. Es gibt Menschen, die es trotzdem ganz toll finden, in einer Kirche zu heiraten. Das soll jeder machen, wie er lustig ist.
Ist der Mensch ein monogames Wesen?
Nein!
Verdirbt es einem Prominenten von vornherein die Lust auf Hochzeit, weil man dann zwangsläufig die Klatschpresse füttert?
Ich habe ja auch schon mal geheiratet, weil es meiner damaligen Frau wichtig war. Und wenn man prominent ist, dann werden die Medien natürlich aktiv. Das ist die Kehrseite der Medaille.
Im Film nehmen die Frauen diesmal breiteren Raum ein. Hat sich das beim Schreiben automatisch so ergeben oder tragen Sie damit der Stimmung unserer Zeit Rechnung?
Es lag diesmal eher auf der Hand als beim ersten Teil. Beim „Klassentreffen“ hatten wir ja die drei Freunde, die alle auf ihre Weise in der Midlife Krise steckten. Diesmal will der Tommy heiraten. Die unbeabsichtigte Beerdigung eines plötzlich verstorbenen Freundes kommt dazwischen und führt zu großen Turbulenzen. In diesem Plot war viel mehr Platz für die Frauen. Und den haben wir gefüllt.
Sie engagieren sich für die Gleichstellung. Haben Sie den Eindruck, dass man Gleichstellung zunehmend häufiger mit Gleichmachung verwechselt?
Die Gleichstellung von Männern und Frauen sollte längst Realität sein, sie ist aber noch nicht da. In den meisten Bereichen verdienen Männer immer noch mehr als Frauen. Das empfinde ich als ein Unding. Arbeit sollte nach Qualität bezahlt werden und nicht nach Geschlecht. Den Versuch einer Gleichmacherei sehe ich aber nicht.
Hat Ihre Tochter Lilli ein Einspruchsrecht, wenn sie irgendetwas nicht spielen oder sagen will?
Bei mir haben generell alle Schauspieler ein Einspruchsrecht. Ich bitte aber darum, Einsprüche vor dem Dreh zu formulieren und nicht währenddessen. Am Drehtag will ich drehen und nicht diskutieren. Vorher setze ich mich gern mit jemandem hin, um darüber zu sprechen, was ihm nicht passt. Und dann suchen wir eine Einigung. Manchmal heißt es: „Den Satz finde ich aber doof!“, und ich sage: „Nee, den habe ich so geschrieben.“ Er ist nicht automatisch super, weil ich ihn geschrieben habe, sondern weil er einen Sinn erfüllt. Also bitte, sag den Satz so. Wenn Lilli zu mir sagt: „Papa, mein Text ist so gar nicht Jugendsprache, ich würde ihn gern auf meine Weise sagen“, dann antworte ich: „Mach! Schreib es auf und zeig’s mir!“
Wie es der Zufall will, haben sich einige Produkte Ihrer Firmen in den Film verirrt. Wie kam es dazu?
Ganz einfach. Ich habe nun mal diese Produkte. Ich mache sie selbst und bin natürlich der Meinung, dass sie super schön und gut sind. Auch meine Filme will ich so schön und so gut wie möglich machen. Und ich stelle die Produkte da hinein, weil ich die Möglichkeit dazu habe. So eine Frage würde man bei „James Bond“ nie stellen. Diese Filme sind reine Werbung, aber keiner beschwert sich darüber. Ich weiß jetzt schon, dass sich bei meinem Film einige Leute daran stoßen werden. Das wird mich aber nicht daran hindern, meine Sachen dareinzutun, wenn es super passt.
Sie haben schon mehrfach bewiesen, dass Sie das Hitpotenzial neuer Songs einzuschätzen wissen. Warum kommen diesmal deutsche Schlagerklassiker zu Ehren?
Der Schlager ist ja schon in meinem Film „Der Eisbär“ zu Ehren gekommen. Ein Großteil der Handlung spielt in einer deutschen Eckkneipe. Da passt nun mal Schlager. Und ich war schon das eine oder andere Mal auf einer Kegelbahn, wo auch Schlager lief. Die Songs im Film habe ich fast alle immer geliebt, obwohl sie Schlager sind. Das ist mir egal. Das Wort „Schlager“ gibt es sowieso nur in Deutschland. Im Rest der Welt heißt es Popmusik. Wenn ein Franzose französisch singt oder ein Italiener italienisch, ist das Popmusik. Im Deutschen heißt es Schlager. Dann ist auch eine Ballade von Beyoncé Schlager. Wenn man den Text ins Deutsche übersetzt, den die dort singt, wäre es der absolute Schlager. Mir ist das egal. Die Lieder, die auf der Bowlingbahn laufen, finde ich perfekt. Ich mag sie total.
Haben Sie schon einmal einen deutschen Schauspieler nicht bekommen, den Sie in einer Ihrer Rollen gesehen haben?
Ja. Meistens war diesen Schauspielern die Rolle zu klein. Sie wollten lieber eine Hauptrolle. Ich sage dann immer, dass es keine kleinen Rollen gibt, sondern nur gute und schlechte. Wenn jemand eine Rolle als zu klein ablehnt, frage ich ihn in der Regel nicht zum zweiten Mal. Ich hatte aber auch schon Schauspieler in kleinen Rollen, mit denen die Arbeit so eine Freude war, dass sie dann Hauptrollen gespielt haben. Karoline Schuch hatte einen Drehtag bei „Zweiohrküken“ und hat dann eine Hauptrolle in „Schutzengel“ gespielt. Jasmin Gerat hatte auch einen Drehtag in „Zweiohrküken“. Danach hat sie in „Kokowääh“ die Hauptrolle gespielt.
Im Film gibt es eine sehr lustige Autogrammjägerszene. Ist sie aus Ihrem Leben gegriffen?
Ja, tatsächlich. Im Frühjahr in Heidelberg bin ich mit einer Bekannten durch die Stadt gelaufen. Dann kam dieser Typ und hat genau das gesagt. Ich habe es eins zu eins in den Film übernommen. Es ist voll das wahre Leben.
Kürzlich haben Sie mit Michael Caine das historische Actiondrama „Medieval“ gedreht. Wie war’s?
Es ist schon wieder ein Jahr her. Ich habe den Lord Rosenberg gespielt und hatte mega viel Spaß mit Matthew Goode. Wir waren beide Lords, die sich spinnefeind waren. Wir haben so viel zusammen gelacht! Mit Michael Caine war es ein Traum. Er ist ein toller Mensch, den ich bewundere. Am letzten Abend hat er Matthew und mich zum Essen eingeladen. Es war ein wunderschöner, unvergesslicher Abend.
Mittlerweile ist sogar Scorsese bei Netflix angekommen. Haben Sie kein Interesse an Streamingdiensten?
Doch, es muss halt passen. In der Tat entwickeln wir momentan zwei Serien. Wir reden mit allen Seiten und werden sehen, wer Lust darauf hat. Ich bin selbst jemand, der sich gern gute Serien anschaut. Es gibt ja kaum noch gute Kinofilme. Diese ganze Marvel- und Fantasy-Welt interessiert mich nicht. Star Wars auch nicht. Die richtig guten Kinofilme, die man mal gemacht hat, findet man kaum noch. Der letzte richtig gute Film, an den ich mich erinnern kann, war „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“. Das ist auch schon wieder ein Jahr her. Die Studios setzen nur noch auf Franchise-Geschichten und immer neue Spin-offs. Deshalb gehen die ganzen Autoren, Regisseure und Schauspieler zu Netflix & Co., die wirklich etwas zu sagen haben. Natürlich geht es für manche Schauspieler in Ordnung, 120 Tage vor einer grünen Leinwand herumzuhopsen und quasi Pantomime zu spielen. Andere Schauspieler wollen wirklich einen Charakter darstellen. Und die gehen zu Netflix. Früher war es undenkbar, dass die großen Filmstars irgendwo im Fernsehen auftreten. Das hat sich komplett gewandelt.
Glauben Sie, dass wir in 20 Jahren noch Kinos haben werden?
Auf jeden Fall. Das Kino ist ein eigener Ort. Gerade bei einer Komödie ist das Erlebnis im Kino unvergleichbar. Du kannst auch mit drei Freunden zu Hause darüber lachen. Aber es macht einen großen Unterschied, wenn man gemeinsam mit 300 Leuten im Kino lacht. Der Trend geht zu Nobelkino und das Publikum wird älter. Die jungen Leute bleiben zunehmend weg, das ist leider so. Aber das Kino wird immer überleben. Nicht wegen der großen Leinwand, sondern wegen des Gemeinschaftserlebnisses, das man so zu Hause einfach nicht hat.