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Walken wie ein Weltmeister

Altshausen / Lesedauer: 5 min

Weltmeister Michael Epp entwickelt Nordic Walking stetig weiter
Veröffentlicht:18.05.2018, 16:03

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Jeder sieht es auf den ersten Blick: Dieser Mann ist ein Ausdauersportler. Groß und schlank die Figur, man möchte ihn fast als hager bezeichnen; raspelkurz die dunklen Haare; leicht gebräunt das Gesicht und die Arme, lässig die Kleidung. Der zweite Blick bestätigt: Dieser Mann ist ein Ausdauersportler. Im Büro des Verwaltungsfachangestellten im Rathaus von Altshausen steht gleich neben dem Schreibtisch ein Fahrrad; an der Wand hängt ein Gemälde, das Michael Epp in Aktion als Läufer vor der Ortskulisse Altshausens zeigt; im Regal steht ein Pokal.

Der Pokal macht ein bisschen stutzig. Vermutlich ist es gar keiner von den vielen, die Epp schon gewonnen hat. Zum Beispiel als fünfacher Nordic-Walking-Weltmeister oder fünffacher Deutscher Meister im Nordic Walking oder bei einem seiner vielen Bergläufe. Denn mit seinen außergewöhnlichen Erfolgen hält der 47-Jährige bescheiden hinterm Berg. „Der Titel ,Nordic-Walking-Weltmeister’ interessiert in Deutschland sowieso niemanden“, glaubt er. Ein Grund, warum er ihn erst gar nicht an die große Glocke hängt. Viele seiner Kursteilnehmer gestehen dann auch, dass sie gar nicht erst zum Lauftreff mit ihm gekommen wären, hätten sie gewusst, mit welcher Koryphäe sie da unterwegs sind.

Wettkämpfe für die Besten

Epp misst sich nämlich nicht nur regelmäßig bei Wettkämpfen mit den Besten, er gibt auch Nordic-Walking-Kurse – jeden Abend und an den Wochenenden, in der Region rund um Altshausen, aber auch deutschlandweit, in Österreich und in der Schweiz. „Mein ältester Teilnehmer ist 82 Jahre alt“, erzählt der Trainer nicht ohne Stolz und stellt fest, dass es längst nicht mehr nur noch übergewichtige Frauen mittleren Alters sind, die zu den Stöcken greifen. Mittlerweile besuchen auch viele Männer und junge Leute seine Kurse. „Nordic Walking ist zwar immer noch eine Frauendomäne, aber gesellschaftsfähig geworden“, freut sich Epp.

Passionierter Radler und Läufer

Dabei war er selbst anfangs mehr als skeptisch. Er kommt vom Fußball, ist passionierter Radler und Läufer, wollte eigentlich Sport studieren, um einmal an der Fußballschule in Ruit zu unterrichten. Seine Eltern aber rieten ihm, „erst mal was G’scheites zu lernen“. Was er dann auch brav gemacht hat – ohne sein geliebtes Hobby aufzugeben. Als leidenschaftlicher Ausdauersportler, der „ganz brutal“ ehrgeizig ist und seinen ersten Marathon gleich unter drei Stunden gelaufen ist, schüttelte er ungläubig den Kopf, als seine Frau mit dem Nordic Walking anfing. „Jetzt bin ich sooo ein Sportler, und meine Frau läuft an Stöcken“, habe er sich gedacht. „Ich war schockiert“. Doch nachdem die Gattin jedesmal noch begeisterter vom Walken zurückgekommen ist, griff der Altshausener schließlich selbst zu den Stöcken und begleitete sie. „Schon nach 400 Metern war ich von diesem Sport total überzeugt. Ich habe nämlich sofort meinen Oberkörper gespürt“, erzählt Epp. Und weil er eben so „brutal ehrgeizig“ ist, hat er sich noch am selben Tag zu einem Lehrgang für Nordic-Walking-Trainer angemeldet. Wenn er etwas macht, dann richtig und exzessiv.

21 Kilometer in knapp zwei Stunden

Das war 2004. Seitdem ist Epp zum Nordic-Walking-Papst Süddeutschlands geworden. (Wobei ihm das Wort „Zugpferd“ sicher lieber wäre). Nicht nur, weil er zahlreiche Wettkämpfe gewonnen hat und unzählige Kurse gibt, sondern weil er die Sportart, die übrigens ihren Ursprung im Skilanglauf hat, stets weiter entwickelt. Erfunden hat er zum Beispiel das Aqua-Nordic-Walking, das sich in den Thermen der Region großer Beliebtheit erfreut. Außerdem will er das Nordic Walking etwas aus der Gesundheitsecke herausholen. Es besteht kein Zweifel daran, dass Nordic Walking gelenkschonend ist, Herz- und Kreislauffunktionen fördert, bei Rückenschmerzen helfen kann und Stress abbaut, für Epp gehört aber auch der sportliche Aspekt dazu. Deshalb bietet er unter anderem Kurse für jene an, die sich fitter fühlen, die trainieren und schneller walken möchten. Um so schnell zu werden wie er, bedarf es allerdings jeder Menge Training. Die 21-Kilometer-Strecke, die bei Nordic-Walking-Rennen Standard sind, schafft Epp in einer Stunde und 55 Minuten.

Schock auf der Zugspitze

Der sportliche Körper, die Fitness und die Ausdauer kommen nicht von ungefähr. Drei bis sieben Stunden trainiert Epp täglich – morgens vor der Arbeit läuft er 18 Kilometer weit, in der Mittagspause radelt er je nach Wetter im Freien oder auf dem Spin- Bike im Keller und abends gibt er seine Nordic-Walking-Kurse, bis zu drei an der Zahl. Nebenher nimmt er immer noch regelmäßig an Wettkämpfen teil.

Im Sommer wird er auch wieder bei dem Berglauf auf die Zugspitze mitmachen. Obwohl er damit eine schreckliche Erfahrung verknüpft. Vor genau zehn Jahren war es, als bei niedrigen Temperaturen zwei Bergläufer just bei diesem Wettkampf an ihren Erfrierungen starben. Auch Epp trug damals leichte Erfrierungen davon, hat heute deshalb noch Probleme in den Fingerspitzen. Wenn er daran zurückdenkt, bekommt seine sonst so fröhliche und unbekümmerte Art einen ernsten und nachdenklichen Zug. „Binnen kürzester Zeit ging es auf der Almhütte zu wie in einem Kriegslazarett. Die Menschen schrien vor Schmerzen“ , schildert Epp eindrücklich. „Ich selbst war total durchgefroren, spürte meine Finger nicht mehr und hatte eine Stunde lang Schüttelfrost“.

Sport mit Suchtcharakter

Trotzdem rennt er in diesem Jahr wieder auf Deutschlands höchsten Berg. Zum einen, weil das Drama vor zehn Jahren eine absolute Ausnahmesituation gewesen sei, zum anderen, weil Sport bei ihm Suchtcharakter hat. „Wenn ich das leugne, würden mich alle, die mich kennen, auslachen“, gesteht der 47-Jährige und grinst. Dass er auch über sich selbst lachen kann, macht ihn umso sympathischer. Auch, dass er kein Problem damit hat, von seinen Spleens zu erzählen. Einer davon ist die Zahl „Fünf“, ein anderer sind Sportschuhe. Wie viele er davon im Schrank stehen hat? „68 Paare“ kommt es wie aus der Pistole geschossen.