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„Der Kreml muss diesen Spuk schnell beenden“

Berlin / Lesedauer: 3 min

Gernot Erler, Russlandbeauftragter der Bundesregierung, zur Situation in der Ukraine
Veröffentlicht:15.04.2014, 19:35

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Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung , Gernot Erler, wirft der russischen Führung vor, für die Destabilisierung der Ost-Ukraine verantwortlich zu sein. Den russischen Präsidenten, Wladimir Putin, forderte Erler auf, klarzustellen, „dass Russland keine Aufforderung der Ost-Ukraine zur Eingliederung in die russische Föderation akzeptieren würde“. Der SPD-Politiker hat mit Andreas Herholz gesprochen.

Die Lage in der Ost-Ukraine hat sich erneut zugespitzt. Russland bestreitet die Verantwortung für die Besetzungen und Provokationen. Welche Informationen haben Sie zu den prorussischen Separatisten ?

Es ist klar, dass es sich bei den bewaffneten und gut trainierten Milizen, die in mehr als zehn Städten in der Ost-Ukraine öffentliche Gebäude besetzt halten, nicht um aufgebrachte Bürger handelt. Das sind gut organisierte und ausgerüstete militärische Einheiten, was stark auf eine russische Herkunft hindeutet. Die russische Führung trägt die Verantwortung für die Destabilisierung der Ost-Ukraine. Der Kreml muss diesem Spuk schnell ein Ende bereiten. Präsident Putin sollte klarstellen, dass Russland keine Aufforderung der Ost-Ukraine zur Eingliederung in die russische Föderation akzeptieren würde. Das würde die Situation vollständig verändern.

Die Übergangsregierung in Kiew schließt jetzt auch ein Referendum nicht aus. Ist das ein sinnvoller Vorstoß?

Diese Erklärung des Übergangspräsidenten Alexander Turtschinow hat zu einigen Verunsicherungen geführt. Das ist auf der einen Seite ein Entgegenkommen an die russische Seite, die die Föderalisierung des Landes vorantreiben will. Auf der anderen Seite war die ukrainische Regierung bisher noch nicht einmal bereit, über Föderalisierung zu sprechen.

Was erwarten Sie vom Vierer-Gipfel der Außenminister der USA, Russlands, der Ukraine und der hohen Beauftragten der EU, Lady Ashton, am Donnerstag in Genf?

Das ist auf jeden Fall eine große Chance. Zum ersten Mal werden führende Vertreter der Ukraine und Russlands am Verhandlungstisch zusammenkommen. Die Bundesregierung hat immer die Einrichtung einer Kontaktgruppe gefordert, die solche Gespräche ermöglicht. Wenn das Treffen der Auftakt zu einem nachhaltigen Dialogprozess ist, wäre das ein großer Schritt nach vorne.

Dennoch bleibt das Gefühl, dass Russland Katz und Maus mit der internationalen Gemeinschaft spielt. Ist es nicht Zeit für Wirtschaftssanktionen?

Die EU-Partner sind sich noch nicht einig darüber, ob die rote Linie schon überschritten ist und Sanktionen fällig sind. Es wäre gut, beim Vierer-Treffen in Genf die Frage zu klären, ob Russland hinter den Unruhen und Besetzungen in der Ost-Ukraine steckt oder nicht. Die EU hat sich vorbehalten, bereits in der nächsten Woche ein Ratstreffen abzuhalten, um über die dritte Stufe der Sanktionen zu beraten, das wären dann Wirtschaftssanktionen.

Droht der Ost-Ukraine nicht das gleiche Schicksal wie der Krim?

Ich glaube nicht, dass Russland wirklich größere Teile der Ostukraine abspalten und sich einverleiben will. Moskaus Ziel ist es wohl eher, die Handlungsschwäche der Kiewer Regierung zu demonstrieren und den russischen Forderungen zur Zukunft der Ukraine Nachdruck zu verleihen. Dazu gehören Bündnisfreiheit, kein Nato-Beitritt, Föderalisierung und mehr Rechte für die Regionen und Russisch als Amtssprache für Regionen mit einem großen Anteil russischer Bevölkerung. Es wäre nicht überraschend, wenn das beim Vierer-Gipfel am Donnerstag auch wieder vorgetragen würde.