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Naturschlittenbahn

Schlittenfahren ist altes Brauchtum und neuer Trend zugleich

PfrontenPfronten / Lesedauer: 5 min

Pfronten - Am Breitenberg bei Pfronten verläuft die längste Naturschlittenbahn des Allgäus. Das Schlittenfahren ist aber auch in anderen Wintersportorten des Allgäus längst zu einem festen Bestandteil geworden.
Veröffentlicht:17.01.2019, 18:14

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Pfronten - Am Breitenberg bei Pfronten verläuft die längste Naturschlittenbahn des Allgäus . Das Schlittenfahren ist aber auch in anderen Wintersportorten des Allgäus längst zu einem festen Bestandteil geworden.

Nasse Füße, klebende Skihosen, laufende Nasen und vor allem ständig Schnee im Gesicht – hinterher kribbelt es gewaltig in den Fingerspitzen, wenn die eiskalten Hände wieder auftauen. Von solchen Kindheitserinnerungen ist das heutige Rodeln weit entfernt. Längst ist es ein eigener, wichtiger Programmpunkt in Wintersportorten geworden, der kostengünstig und mitunter sogar tagesfüllend ist. Rodelfans scheinen in gleichem Maße zuzunehmen wie das Bedürfnis nach sportlichem Erlebnis in intakter Natur. Längst gibt es Rodelclubs, Wettbewerbe oder Kurse, in denen erklärt wird, wie’s richtig geht. Zum Beispiel, wo und wie man sich am besten hinsetzt und festhält, was man anziehen soll und wie Kurven gemeistert werden. Am Ende gibt’s mancherorts sogar ein Diplom.

Helme sind oft Pflicht

Rennrodel werden immer beliebter, aber der gute alte Davoser bleibt der begehrteste Schlitten im deutschsprachigen Raum. Im Gegensatz zum Rodel sind beim Davoser Schlitten die beiden mit Eisen beschlagenen Kufen durch eine feste Holzkonstruktion verbunden und stehen senkrecht auf dem Boden. Helme sind auf den Rodelbahnen immer öfter Pflicht, und ohne Schneebrille sollte man auch nicht losziehen. Schließlich gilt Rodeln als eine der gefährlichsten Schneesportarten, jeder fünfte Wintersportunfall geht aufs Konto der Kufenfans. Da schadet es nicht, wenn man vorsorgt. Die häufigsten Verletzungen bei Rodlern sind überdehnte Bänder, weil die Füße irgendwo hängen bleiben und nicht auf dem Gefährt ruhen.

Aber mit Verletzungen sollte man einen Artikel übers Rodeln vielleicht nicht unbedingt beginnen. Lieber mit den flotten Sprüchen, mit denen viele Wintersportorte Kunden locken. Egal ob als „sportliches Highlight für den Familienurlaub“ oder als „Riesengaudi für Groß und Klein“ angepriesen, vielerorts wurden spezielle Rodelbahnen eingerichtet – oft vom ADAC in punkto Sicherheit und Qualität getestet und ausgezeichnet. Auch im Allgäu, wo es inzwischen knapp 100 Kilometer präparierte Rodelbahnen gibt, hat man den Trend nicht verschlafen. „Rodeln ist top aktuell“, sagt Julian Knacker vom Tourismusamt in Pfronten, „die Nachfrage unserer Gäste ist stark gestiegen.“ Das freue auch Wirte und Bergbahnbetreiber. „Wir brauchen schließlich Alternativen zum Skifahren.“

Die meisten Rodelpisten im Allgäu sind mittlerweile mit Bergbahnen erreichbar, manche von ihnen abends sogar beleuchtet. Nachtrodeln ist in Verbindung mit Vollmondfahrten bei vielen Bergbahnen der Hit. Viele Schlittenfahrten beginnen sowieso erst nach einer ausgiebigen Einkehr. Das passende Gefährt – sportlicher Flitzer oder gemütlicher Mehrsitzer – gibt es zumeist in nahen Geschäften oder gleich an der Talstation der Lifte auszuleihen.

In Pfronten zum Beispiel hat das Rodeln eine lange Tradition. Vor Jahrhunderten wurden hier bereits mit großen Hörnerschlitten, den sogenannten Schalenggen, im Winter Heu und Brennholz vom Berg ins Tal befördert. Was früher beschwerliche Arbeit war, zeigt heute ein jährliches Brauchtumsfest, bei dem sich Wagemutige halsbrecherische Wettfahrten mit den alten Schlitten liefern. Und wen das Rodelfieber gepackt hat, der kann einem echten Pfrontener Mächler, wie die Handwerker im Allgäu genannt werden, bei der Herstellung eines solchen Hörnerschlittens auf die Finger schauen.

Am 1838 Meter hohen Breitenberg bei Pfronten verläuft die längste Naturodelbahn des Allgäus,rund sieben Kilometer lang ist. Ungefähr zweieinhalb Stunden brauchen Rodler für den Aufstieg zu Fuß. Schneller geht es mit der Gondel. Mit dem Vierersessel kommt man mühelos nach oben. Von der Bergstation der Sesselbahn sind es dann nur noch 30 Gehminuten zum Gipfel. Wanderwillige starten von der Achstraße, die von Pfronten ins Tannheimer Tal führt, direkt beim Parkplatz „Altes Zollhaus“ und folgen von dort der Beschilderung Ostlerhütte . Wegen des freigiebigen Wirts sprechen viele auch gerne mal von der Obstlerhütte, vor deren Terrasse sich ein einzigartige Panorama ausbreitet. Jetzt heißt es, stehen bleiben und erst einmal die Aussicht genießen, denn „hier kann man einfach in Verzückung geraten – einen solchen Aussichtspunkt mit Blick auf die Alpen gibt es nur einmal“, schwärmt ein Rodler, „und wie sich da die Gebirgsketten hintereinander aufbauen ist eine wahre Pracht“. Wer vor lauter Panorama den Heimweg vergisst, kann bleiben. Die Hütte hat Zimmer.

Sliden auf Stiga Bobs

Schwärmer lassen sich auch über die rasante Abfahrt hinunter ins Achtal aus, deren Schwierigkeitsgrad zwischen zwei und drei liegt und die Profis in einer guten halben Stunde schaffen. Natürlich geht’s auch gemütlicher. Für den Rückweg vom Ende der Rodelbahn wurde ein kostenloser Shuttlebus eingerichtet, der etwa siebenmal am Tag verkehrt.

Herkömmliche Rodel sind am Breitenberg übrigens ein alter Hut. Hier sliden merkwürdige Gefährte durch die Kurven, die Stiga Bobs heißen und schwedische Lenkschlitten sind. Rechts und links befindet sich ein Plastikski, mittig ein Sitz und vorne noch ein kurzer Ski, der mit einem Lenkrad verbunden ist. Diese Schlitten laufen sehr gut, vor allem im weichen Schnee, wo der gute alte Rodel gerne mal einsackt, heißt es bei den Stiga-Bob-Liebhabern. Wie es funktioniert, kann man sich zeigen lassen. Gruppenführungen werden angeboten, inklusive Lift, Gerätmiete und Transfer aus dem Achtal. Der ein oder andere Profirodeltipp zur Fahrtechnik gehört natürlich dazu.

Neben der Rodelbahn am Breitenberg (Abfahrt rund sieben Kilometer) gibt es zwei weitere Naturrodelbahnen in Pfronten: Am Edelsberg startet von der Hündeleskopfhütte eine zwei Kilometer lange Rodelpartie und ab der Kappeler Alm eine Rodelbahn mit fünf Kilometern Länge. Ob der Rodelbus fährt und die Rodelstrecken geöffnet sind, kann dem tagesaktuellen Wintersportbericht unter www.pfronten.de/aktiv/

wintersport/rodeln entnommen werden.

Die schönsten Rodelstrecken im Allgäu, von leicht bis schwierig, von rasant bis gemütlich, gibt es im Internet unter www.rodeln-allgaeu.de , unter www.allgaeu.de oder unter www.dein-allgaeu.de . Das Hörnerschlittenrennen (auch Schalengge genannt) findet in Pfronten heuer am 2. März statt.