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Köttbullar und Hotdog? Nein, danke!

Panorama / Lesedauer: 3 min

Köttbullar und Hotdog? Nein, danke!
Veröffentlicht:18.08.2017, 15:18

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Eine Menge Soziologen haben schon versucht zu ergründen, warum der deutsche Konsument sich auf fast schon devote Art und Weise mit der Möbelkultur der Schweden identifizieren kann. Warum er jedes Fleischküchle für Köttbullar links liegen lässt. Die einen Experten glauben, weil sich deutsche Menschen selbst nicht genug lieben, liebten sie sympathische Völker wie eben die Schweden umso mehr. Wieder andere wollen darin einen Pippi-Langstrumpf-Effekt erkannt haben.

Der Besuch in einem Ikea-Möbelhaus sei nämlich so eine Art märchenhafte Zeitreise nach Lönneberga , Bullerbü und das namenlose Dorf, in dem Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf ihr anarchistisches Unwesen trieb. Erinnerungen an die eigene Kindheit würden geweckt und die Sehnsucht nach einer unbeschwerten Freizügigkeit, die heute gar nicht mehr vorstellbar ist. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn ein zeitgenössischer Kinderbuchautor heute seine kindliche Heldin mit so einer Art Strapse durch ihre Abenteuer hüpfen ließe.

Aber wir schweifen ab. Erstaunlich ist neben der Tatsache, dass sich Ikea-Kunden unverdrossen und mit masochistischer Lust ins Möbelzusammenbauen stürzen, ihre Liebe zu den Lebensmitteln, die der Konzern in Deutschland verkauft. Merkwürdig vor allem deshalb, weil die kleinen Hackfleischbällchen zum Beispiel so schmecken, als seien sie das Ergebnis eines böswilligen Streiches von Michel aus Lönneberga. Neben dem Vorzug extrem billig zu sein, kann der Gaumen jedenfalls keine Pluspunkte ausmachen. Fünf Stück kosten 50 Cent.

Am Tresen im Möbelhaus werden die etwa walnussgroßen Fleischkugeln warmgehalten und dann in einer Kartonage ausgegeben. Serviert mit einem Holzspieß, an dessen Ende sich die schwedische Flagge aus Papier befindet. Wer die Nase in den Karton steckt, riecht vor allem Bratfett mit einer deutlichen Nuance ins Tranige, mit Anklängen von Pappendeckel. Kulinarische Erlösung vermögen auch die Ein-Euro-Hotdogs nicht zu bieten, ohne die ein Ikea-Besuch zwar möglich, aber gänzlich sinnlos zu sein scheint.

Auch hier braucht es kein sensorisches Hochschulstudium, um schnell zu erkennen, dass die labbrigen Würstle – gepaart mit nichtssagendem Senf, frittierten Zwiebelringen und säuerlichen Gurkenrädle – eher etwas für stabile Mägen als für feinsinnige Zungen sind. Vielleicht haben die schwedisch gefärbten Fressalien von Ikea deswegen so viel Erfolg, weil man sie ohne Werkzeug handhaben kann. Was sich von einem Billy-Regal nicht unbedingt behaupten lässt.

Wie dem auch sei – langsam müssen sich die Schweden ein bisschen Gedanken um ihre Popularität machen, weil gerade die Dänen schwer im Kommen sind. Die Rede ist vom massiv bei uns Einzug haltenden Lebensgefühl „Hygge“. Damit bezeichnet der Däne so etwas Ähnliches wie heimelige Zufriedenheit. Die Formel dieser Philosophie geht ungefähr so: Wenn du unzufrieden bist, dann sei einfach ein bisschen zufriedener. Das ist Hygge. Bezogen auf das Essen zielt die Bedeutung grob in die Richtung Wohlfühlküche.

Wenn das Wetter draußen mies ist, dann zünde ein Kerzlein an, setze eine Tasse Tee auf und genieße einen Butterkeks dazu. Also möglichst das Einfache im Gewöhnlichen suchen, anstatt sich mit irgendetwas Kapriziösem den Burn-out in der eigenen Küche einzufangen. Das ist hyggelig. Es geht aber auch mit Fleischküchle, zum Wohlfühlen braucht kein Mensch Köttbullar. Für ein schwäbisches statt schwedisches Lebensgefühl.