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Jessy Wellmer: „Das Fernsehgeschäft ist unvorhersehbar“

Berlin / Lesedauer: 5 min

Jessy Wellmer über ihren WM-Talk mit Philipp Lahm, die „Sportschau“ und ihre geliebten High Heels.
Veröffentlicht:08.06.2018, 11:36

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Kompetent, feminin und ein bisschen frech: Jessy Wellmer drückt der „Sportschau“ am Samstag seit vorigen Sommer als Moderatorin ihren Stempel auf. Bei der Fußball-WM hat die 38-Jährige eine besondere Aufgabe: In der neuen Rubrik „Weltmeister im Gespräch“ unterhält sich die TV-Journalistin mit Philipp Lahm , der die deutsche Nationalelf 2014 als Kapitän zum Weltmeistertitel geführt hat. Die Talkreihe wird vom 14. Juni an eingebettet in die ARD-Berichterstattung. Cornelia Wystrichowski hat sich mit Jessy Wellmer über ihre Rolle als Sportreporterin und übers Fernsehgeschäft unterhalten.

Frau Wellmer, welches war die erste Fußballweltmeisterschaft , die Sie bewusst miterlebt haben?

Das war das Turnier 1990. Diese WM war ein sehr wichtiges Ereignis für mich, und das nicht nur, weil sie so besonders erfolgreich lief aus deutscher Sicht, sondern weil sie für mich das Symbol der Einheit war. Ich war damals zehn Jahre alt, ein Mädchen aus Ostdeutschland, und dachte mir: Wenn wir diesen Sieg jetzt gemeinsam feiern, dann gehören Ost und West wohl wirklich zusammen.

Den nächsten WM-Titel holte die deutsche Nationalelf 2014 in Brasilien – da waren Sie schon als Journalistin vor Ort …

Ich war als Reporterin fürs ZDF-Morgenmagazin in Brasilien und durfte sogar beim 7:1-Sieg der deutschen Mannschaft gegen Brasilien in Belo Horizonte dabei sein. Es war gigantisch, das im Stadion mitzuerleben. Nach dem Spiel mussten wir, die Medienleute aus Deutschland, ewig sitzenbleiben. Nach dieser riesigen Enttäuschung hatten unsere Gastgeber Sorge um die Sicherheit.

Bei der aktuellen WM sprechen Sie mit Fußballlegende Philipp Lahm über das Turnier, die Sendung kommt vom Tegernsee. Warum nicht aus Russland ?

Zum Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft gegen Mexiko besucht Philipp Lahm die deutsche Elf und ich begleite ihn. Anschließend werden wir zusammen über die Nationalmannschaft sprechen, darüber, was hinter den Kulissen eines solchen Turniers passiert. Dazu müssen wir aber nicht die ganze Zeit in Russland sein. Wir setzen uns ans Ufer des Tegernsees. Dort ist es schön, und Philipp Lahm ist da mit seiner Familie zu Hause. Er ist froh, dass er nach seiner Karriere als Profifußballer mehr Zeit für seine Kinder hat und nicht mehr ständig rumjetten muss. Und für den Gebührenzahler ist das übrigens wesentlich kostengünstiger.

Wird die politische Situation in Putins Russland ein Thema in der Gesprächssendung sein?

Es wird mit Sicherheit ein Thema sein, wie ein Fußballspieler ein Trainingslager in Ländern wie Katar oder ein Turnier in einem Land wie Brasilien erlebt, wo es auch angespannte politische Verhältnisse gab. Wie nimmt ein Fußballer die gesellschaftliche Dimension vor Ort wahr? Das könnte ein Thema sein, das ich mit Philipp Lahm bespreche. Er ist ja ein schlauer Kopf, und als Kapitän der Weltmeistermannschaft von 2014 kann er uns sehr viel erzählen, zum Beispiel auch über die Fifa oder über Dopingkontrollen.

Finden Sie es gut, dass die Weltmeisterschaft nicht boykottiert wird?

Es ist ja grundsätzlich die Frage, ob man Großereignisse in solche Länder geben muss. Aber wenn eine WM oder Olympische Spiele in einem solchen Land stattfinden, muss man sich als Journalist überlegen, wie man damit umgeht. Ich finde, man sollte nicht nur als Fußballreporter hinreisen, sondern sich auch als politischer Journalist verstehen, sich entsprechend vorbereiten und die Augen offenhalten. Ich war zum Beispiel als Reporterin bei den Olympischen Spielen in Südkorea, zu diesem Zeitpunkt war der Schlagabtausch zwischen Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gerade auf dem Höhepunkt. Im Zweifelsfall musste ich da schon einordnen können, welche Bedeutung der nächste Trump-Tweet haben würde. Das ist meine Grundeinstellung zu dem Job.

Anne Will, die 1999 als erste Frau die „Sportschau“ präsentiert hat, moderiert inzwischen einen eigenen Polittalk. Träumen Sie auch von so etwas?

Ich hätte vor fünf Jahren nie gedacht, dass ich irgendwann mal die Samstags-„Sportschau“ moderieren werde, ich hätte das nicht für möglich gehalten. Ich habe inzwischen gelernt, dass das Fernsehgeschäft unergründlich und unvorhersehbar ist, es hängt an so vielen Faktoren und Entscheidern, welcher Posten wie besetzt wird. Ich genieße es jetzt erst mal, wie es ist. Über anderes denke ich nicht nach.

Sie haben gerade Ihre erste Saison als Moderatorin der Samstags-„Sportschau“ hinter sich. Welche Bilanz ziehen Sie?

Es war aufregend, und ich musste mich erst daran gewöhnen. Die Moderation eines solchen Bundesligaspieltags ist eine große Fernsehkomposition mit enorm vielen Beteiligten und ungeheuer viel Anstrengung. Ich bin zum Glück vom „Sportschau“-Team in Köln sehr herzlich aufgenommen worden. Es gab auch keinen einzigen Spruch, dass da jetzt eine Frau oder eine Neue die Sendung moderiert.

Die Welt des Bundesliga-Fußballs galt viele Jahre als reine Männerdomäne, Sie sind die erste Moderatorin der „Sportschau“ am Samstag seit Monica Lierhaus. Hat dieser Aspekt keine Rolle gespielt?

Es war am Anfang, als ich den Job übernahm, vor allem für die Medien ein großes Thema, für Journalistenkollegen. Von den Zuschauern selber ist zu diesem Thema gar nicht so viel gekommen. Klar kam auch mal ein Tweet wie: „Die soll sich mal einen Rock anziehen“ oder: „Die soll an ihren Herd gehen“, aber doch nur ganz vereinzelt.

Apropos Bekleidung: Als Moderatorin der „Sportschau“ sind die High Heels zu einer Art Markenzeichen für Sie geworden. Werden Sie auch im Talk mit Philipp Lahm Stöckelschuhe tragen?

Das Ganze findet ja am See statt, da ist man nicht mit High Heels unterwegs, weil man mit denen im Rasen steckenbleibt. Ich glaube, es wird eher eine Sandale werden.

Glauben Sie, dass Deutschland seinen Titel verteidigen wird?

Ich hätte grundsätzlich nichts dagegen. Ich würde aber eher tippen, dass Deutschland ins Finale kommt und Frankreich Weltmeister wird. Allerdings liege ich mit Favoriten immer falsch (lacht).