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Wünschelrutenwanderung

Wer will, der findet

Panorama / Lesedauer: 5 min

Trotz aller Skepsis bietet das Wünschelrutengehen im Allgäu allerhand Lehrreiches und Unterhaltsames
Veröffentlicht:09.08.2013, 16:45

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Hans Schmid staunt. Sieben Anmeldungen für die Wünschelrutenwanderung und zwei Unangemeldete, die noch zur Gruppe stoßen: „Damit haben wir fast das Maximum, das bei zehn bis zwölf Personen liegt, erreicht. Und das bei solch einem heißen Sommertag“, stellt Schmid fest. Und eben weil es an diesem Donnerstagnachmittag so brütend heiß ist, führt er seine kleine, bunt zusammengewürfelte Gruppe schnell aus dem glühenden Ort hinaus zur kühlen Bittlerquelle.

Ein Tiroler und Wasserschmecker

Schon seit der Keltenzeit liegt diese Quelle romantisch am Fuße eines Berges bei Fischen in der Nähe von Oberstdorf, umrahmt von saftigen Wiesen. Schmid sucht ein schattiges Plätzchen und stellt sich erst einmal vor – als echter Tiroler und Wasserschmecker. Und weil der Rest der Gruppe bei dieser originellen Bezeichnung zustimmend nickt und ernsthaft dreinblickt, verkneife ich mir das Grinsen. Überhaupt wird schnell klar, dass ich vermutlich die Einzige bin, die diese Wünschelrutenwanderung, die alle 14 Tage vom Tourismusverband Hörnerdörfer in Fischen im Allgäu kostenlos angeboten wird, dann doch mit einer gewissen Skepsis angeht. Die anderen Männer und Frauen der Gruppe, selbst Teenager Christine, legen große Ernsthaftigkeit an den Tag.

Bloß keinen Zwang verspüren

Dabei hat Wasserschmecker Schmid doch gleich in den ersten paar Minuten kundgetan, dass der Spaß während der kommenden zwei Stunden auf gar keinen Fall zu kurz kommen darf. Jeder solle es einfach „laufen lassen“, keiner von uns sich dem Druck aussetzen, unbedingt eine Wasserader finden zu müssen. Denn genau zu diesem Zwecke sind wir hier alle zusammengekommen: Wir wollen auf Wasseradern stoßen. Dabei liegt die Betonung auf „wollen“. Auch das stellt Schmid gleich zu Beginn klar: Die Konzentration und der unbedingte Wille, Wasser zu finden, sind das Wichtigste, um ein Wasserschmecker zu werden. „Und das kann jeder. Besondere Talente oder gar einen siebten Sinn braucht es nicht fürs Wünschelrutengehen.“ Wieder zustimmendes Nicken bei meinen Kollegen, die mit einer einzigen Ausnahme alle von weit oben kommen – Paderborn, Krefeld, vom Niederrhein und so weiter – und sowieso glauben, dass die Menschen hier in Bayern noch echte Naturburschen sind und sich mit den unerklärlichen Kräften, die zwischen Himmel und Erde wirken, bestens auskennen.

Akzeptiert. Auch, dass es auf dieser Welt Dinge gibt, die man einfach nicht rational erklären kann. Doch wer weiß, dass die sogenannte Radiästhesie, die Lehre der angeblichen Strahlungswirkungen, noch nie wirklich seriös nachgewiesen werden konnte, und das Wünschelrutengehen von Wissenschaftlern als bloßes Hokuspokus abgetan wird, bleibt skeptisch. Selbst Hans Schmid gibt schließlich ohne besondere Aufforderung zu: „Wieso die Wünschelrute ausschlägt, kann nicht physikalisch erklärt werden.“ Er aber ist davon überzeugt, dass jeder Körper spürt, wenn er auf einer Wasserader steht, deshalb in Schwingung kommt, und genau diese Schwingung dann auf die Wünschelrute übertragen wird. Sie also nur das Instrument ist, das die Körperreaktion sichtbar macht. Deshalb ist es auch völlig egal, ob so eine Wünschelrute aus Holz, Metall oder Plastik besteht.

Hans Schmid packt dünne, graue Plastik-Wünschelruten aus seinem Rucksack, verteilt sie und erklärt ihren Gebrauch. Nachdem wir alle die zwei an einem Ende zusammengebundenen Plastikdrähte richtig in unseren Händen halten und auf maximale Spannung gebracht haben, gehen wir langsam, konzentriert und erwartungsvoll durchs hohe Gras. Manche schließen dabei sogar die Augen, andere ziehen die Schuhe aus. „Wasser, Wasser, Wasser“, nur dieser Gedanke sollte in meinem Gehirn dominieren, stattdessen frage ich mich, wie komisch unsere Gruppe wohl auf die Wanderer wirkt, die zufällig vorbeikommen, oder auf die Gäste im nahen Hotel – und ob wir uns hier nicht alle zum Affen machen.

Die Rute schlägt tatsächlich aus

Doch in dem Moment, in dem meine Rute tatsächlich ausschlägt, sind solche Gedanken schlagartig verschwunden. Wie zuvor gelernt gehe ich sofort ein paar Schritte zurück, bringe meine Wünschelrute wieder in maximale Spannung und nähere mich ganz langsam der gleichen Stelle. Und prompt schnellen die zwei dünnen Plastikstäbe erneut nach oben. Hans Schmid lächelt und lobt: „Na also, klappt doch.“ Ich verrate ihm lieber nicht, dass ich eigentlich ein durch und durch vernunftgesteuerter Mensch bin und einfach davon überzeugt sein will, dass ich vermutlich die Plastikrute nur ein wenig zu stark gespannt habe und sie allein deswegen nach oben ausgeschlagen hat. Doch angesichts der Euphorie, die sich bei meinen mittlerweile auch erfolgreichen Mit-Wünschelrutengängern einstellt, halte ich natürlich still.

Wasserschmecker Schmid ist mit seiner heutigen Gruppe ausgesprochen zufrieden. Meine „bad vibrations“ scheinen sich nicht auf die Anderen übertragen zu haben. Weil wir (fast) alle konzentriert und erfolgreich Wasseradern gesucht haben, unterhält uns der Wasserschmecker noch mit ein paar Geschichten übers Wünschelrutengehen, und spart auch nicht an seiner Kritik über die dubiose Geschäftemacherei damit. Jeder missionarische Eifer scheint dem 62-jährigen gelernten Elektriker fremd, dafür würzt er viele seiner Geschichten mit einem Schuss Humor. Das lässt diesen Nachmittag trotz aller Vorbehalte zu einem Vergnügen werden und Hans Schmid zu einem sympathischen Menschen, der regelmäßig für den Tourismusverband als Wanderführer fungiert – mal mit, mal ohne Wünschelrute.

INFO: Die Wünschelrutenwanderungen finden noch bis Mitte Oktober (witterungsabhängig) alle 14 Tage statt. Die nächsten sind am 15. und 29. August. Treffpunkt ist jeweils um 14 Uhr am Kurhaus Fischen. Die Wünschelrutenwanderung ist kostenlos, trotzdem wird um Anmeldung gebeten unter Telefon 08326 / 36460 oder per E-Mail an [email protected]