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„Kein Mann setzt sich gern in rosa Kissen“

Lindau / Lesedauer: 3 min

Claudia Christ und Ferdinand Mitterlehner stellen ihr Buch „Männerwelten“ vor
Veröffentlicht:18.04.2014, 19:05

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„Wann ist ein Mann ein Mann?“ Schon der Sänger Herbert Grönemeyer fand in den 1980er Jahren keine befriedigende Antwort. Seitdem ist einiges an Zeit ins Land gegangen, die Rolle des Mannes hat sich gewandelt, doch die Antwort auf Grönemeyers Frage steht noch aus. Vielmehr scheint die Frage bei immer mehr Männern Verunsicherung und Magengrimmen hervorzurufen. Männer sterben früher als Frauen, sie sind im Durchschnitt kränker, häufiger süchtig und werden häufiger zu Gewalttätern oder Gewaltopfern.

„Männerwelten“ heißt das Buch, das Claudia Christ und Ferdinand Mitterlehner im Rahmen der Psychotherapietage vorgestellt haben. „Und eigentlich ist es fast ein Wunder, dass wir nicht gleich irgendeine Störung oder Diagnose dazugeschrieben haben“, spielt Christ auf die zahlreichen Artikel und Veröffentlichungen zum Thema „Burn-Out“ oder Männergesundheit an.

Dabei ist die Situation des Mannes nicht erblich bedingt. Dies zeigen Untersuchungen zum Gesundheitszustand von Nonnen und Mönchen in Klöstern. Hier gibt es kaum Unterschiede hinsichtlich des Gesundheitszustands. Das zeigt: Der Einfluss der Umwelt, der Gesellschaft scheinen erheblich zu sein.

Dazu kommt, dass Frauen den Weg zum Psychotherapeuten meist leichter finden als Männer. Männer oft erst, wenn ihre Partnerinnen oder ihr Hausarzt sie dazu ermutigen oder gar drängen. Auch der Verlust der Kontrolle oder eine starke Erschöpfung im Beruf sind Gründe für Männer den Weg zum Therapeuten zu finden.

Auslöser für diese Lebenskrisen sind oft eines oder mehrere der sieben „V“, die Christ und Mitterlehner in ihrem Buch zusammengetragen haben: Verbrannt (Burn-Out), der Komplex „Verliebt - verlobt - verheiratet“ und auch „verführt“, Vaterschaft. Vaterschaft ist ein häufiger Auslöser für Krisen, aber auch der ganze Bereich der virtuellen Welten, bei dem es auch um Verantwortung im realen Leben geht. Veränderungen werden immer wieder als bedrohlich empfunden, aber auch der Verlust eines geliebten Menschen kann zu einer Lebenskrise führen. Aber auch gesellschaftliche oder juristische Verurteilung sind Stolpersteine auf dem Weg zu Zufriedenheit.

„Männer leiden anders“, sind Christ und Mitterlehner sicher. Der Ausdruck ihrer seelischen Leiden sei häufiger körperlich. Was auch daran liegt, dass Männer meist mit übertriebenem Engagement versuchen, nicht die Kontrolle über Situationen oder über ihr gesamtes Leben zu verlieren. Das führt dazu, dass sie erst später Hilfe suchen, denn bereits Hilfe anzunehmen, bedeutet für viele Männer einen Kontrollverlust.

Dies hat aber auch die Folge, dass die Leiden von Männern oft erst später erkannt werden. „So lange der Mann arbeiten geht und auch zuhause alles schafft, kann es ihm ja nicht so schlecht gehen“, fasst Mitterlehner eine gängige Fehleinschätzung zusammen.

Weil Männer anderes als Frauen sind, müssen sich auch die Therapeuten auf sie anderes einstellen. Männer brauchen einen Sachanlass, es muss sich früh in der Therapie etwas tun, weil sie sehr handlungsorientiert einsteigen. Frauen bewegen sich eher auf der emotionalen Ebene. Dies fängt bei der Gestaltung der Praxisräume an. Denn oft dominieren weiblich geprägte Räume. „Aber kein Mann setzt sich gern in rosa Kissen“, sagt Christ scherzhaft.

Claudia Christ/Ferdinand Mitterlehner: „Männerwelten – Männer in Psychotherapie und Beratung“ ist im Verlag Schattauer erschienen. 238 Seiten, 24,99 Euro. Das Buch ist klar und verständlich geschrieben und eignet sich von daher auch als Lektüre für Laien mit etwas Vorwissen.