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Insulinpumpe

Insulinpumpen können Diabetikern das Leben erleichtern

Berlin / Lesedauer: 6 min

Insulinpumpen und Sensoren erleichtern das Leben von Diabetikern – Versorgung regional sehr unterschiedlich
Veröffentlicht:04.01.2019, 19:30

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Wer an Diabetes Typ 1 leidet, muss ein Leben lang Insulin spritzen. Denn bisher ist die Krankheit nicht heilbar. Besser beherrschbar aber wird sie durch Technik, etwa durch die Insulinpumpe. Oder Sensoren, die ohne Piks den Blutzucker messen. Ob ein Diabetiker aber damit versorgt wird, hängt auch davon ab, wo er in Deutschland wohnt.

„Die Ergebnisse sind eindeutig: Patienten mit Insulinpumpe weisen weniger schwere Unterzuckerungen auf und haben insgesamt bessere Glukosewerte als Patienten, die eine herkömmliche Injektionstherapie erhalten“, sagt Professor Andreas Neu, Vorstand der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Und bezieht sich dabei auf eine neue Studie, die die Daten von 80 Prozent aller Diabetes-Typ-1-Patienten aus Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz aus fünf Jahren ausgewertet hat. Insulinpumpen werden nah am Körper getragen und geben entweder über Schlauch und Kanüle oder direkt auf die Haut geklebt kontinuierlich das nötige Insulin ab, das der Organismus des Patienten selbst nicht mehr produziert. Sie sind kaum größer als ein Handy und so schwer wie eine Tafel Schokolade. Und helfen dabei, akute Komplikationen und Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Der Oberarzt in der Diabetes-Ambulanz am Uniklinikum Tübingen betont zudem: „Die Lebensqualität der Betroffenen steigt erheblich, da Eltern bei der regelmäßigen Blutzuckerkontrolle und Insulinversorgung entlastet werden und deutlich mehr Sicherheit im Alltag haben.“

„Unerwünschte Ereignisse“

Insulinpumpen können das Leben erleichtern, bestenfalls lebensrettend sein. Umstritten bleibt, wie sicher sie sind. Nach Angaben der „ Süddeutschen Zeitung “ und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) wurden 2017 in den USA mehr als 180 000 „unerwünschte Ereignisse“ mit Insulinpumpen oder deren Zubehör gemeldet, beispielsweise wenn das Medizingerät zu viel Insulin abgibt. In Deutschland seien es im gleichen Zeitraum nur 346 Fälle gewesen, doch würden Hersteller und Ärzte entsprechende Vorkommnisse nur selten melden.

Kein Wunder also, dass in Deutschland mittlerweile über die Hälfte aller jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes eine Insulinpumpe nutzt. Nur: Regional ist das recht unterschiedlich. In sozial und ökonomisch schwächeren Regionen werden seltener Insulinpumpen eingesetzt. Hier haben zudem die Betroffenen einen höheren Blutzuckerwert und entwickeln häufiger Übergewicht. Das sagt eine weitere neue Studie, die vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung stammt. Die Unterschiede, erläutert Erstautorin Marie Auzanneau von der Universität Ulm, seien „durch einen regionalen Mangel an materiellen und sozialen Ressourcen“ erklärbar. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass sich die Therapieergebnisse von Patienten in benachteiligten Regionen durch einen häufigeren Einsatz der Pumpentherapie verbessern könnten, meinen die Autoren.

Was also ist zu tun? Nichts, finden zumindest die Krankenkassen, die eine Insulinpumpe nur von Fall zu Fall bezahlen. Was schon eine Erklärung ist, warum es in ärmeren Regionen weniger Pumpen gibt – weil man das Gerät nicht selbst bezahlen kann. Der AOK-Bundesverband halte die Schlüsse, die in der Studie gezogen werden, „für problematisch“. Aus den Unterschieden könne, soundefinedGerhard Schillinger, Leiter des Stabs Medizin, „nicht automatisch abgeleitet werden, dass die Patienten schlechter versorgt sind. So kann der Blutzuckerwert auch bei Patienten ohne Insulinpumpe sehr gut eingestellt sein“.

Die Meinungen der Gesundheitspolitiker im Bundestag fallen recht unterschiedlich aus. Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen sieht „dringenden Handlungsbedarf“. Die Fehl-, Unter- und Überversorgung müsse endlich überwunden werden – durch eine mit aktuellen Zahlen arbeitende Bedarfsplanung. Die fordert auch Alexander Krauß von der CDU. „Mehr Verschreibungen von Insulinpumpen wird es wohl dort geben, wo es mehr Diabetologen gibt – und umgekehrt.“

Harald Weinberg von den Linken fordert zusätzliche Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung. Denn „Menschen aus der unteren Einkommensschicht haben in jedem Lebensalter ein erheblich höheres Risiko als wohlhabende Menschen, ernsthaft krank oder zum Pflegefall zu werden oder vorzeitig zu sterben.“ Dies spiegele sich auch in der Versorgung von Diabetes-Typ-1-Patienten wider.

Axel Gehrke von der AfD sieht die Patienten in der Pflicht. Die konventionelle Insulintherapie mit starrem Spritzschema sei für Patienten einfach zu verstehen. Die neuen Behandlungsmöglichkeiten aber erforderten mehr Mitdenken. Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung jedoch habe „erschreckend abgenommen, in sozioökonomischen Problemfällen sogar überproportional“.

Sabine Dittmar von der SPD hält es für „Aufgabe und Auftrag der Ärzteschaft, die Versorgung beispielsweise von Diabetes mellitus Typ 1 auf aktuellem medizinisch-wissenschaftlichen Stand sicherzustellen“. Darauf hätten Patienten einen Anspruch – „unabhängig davon, wo sie ihren Wohnsitz haben“.

Diabetes mellitus, umgangssprachlich Zuckerkrankheit genannt, ist ein Oberbegriff für chronische Stoffwechselerkrankungen, die durch dauerhafte Überzuckerung des Blutes charakterisiert werden. Die beiden wichtigsten Formen sind der Typ-1- und der Typ-2-Diabetes.

Laut Deutscher Diabetes Hilfe gibt es in Deutschland mindestens 6,7 Millionen Menschen mit Diabetes. Dies ist eine Steigerung um etwa 40 Prozent seit 1998. Jeden Tag gibt es fast 1000 Neuerkrankungen, zumeist mit Typ 2. 300 000 Menschen haben Diabetes Typ 1. Davon sind mehr als 30 000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren. Auch die Zahl der Typ-1-Erkrankungen bei Kindern nimmt – übrigens europaweit – zu.

Typ-1-Diabetes beginnt zumeist schon im Kindes- oder Jugendalter. Es handelt sich um eine Autoimmunkrankheit - das eigene Immunsystem zerstört die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das Hormon Insulin herstellen. Das Hormon hat eigentlich die Aufgabe, die Zuckermoleküle aus dem Blut in die Zellen weiterzuleiten. Ohne Insulin bleibt der Zucker im Blut. Um den erhöhten Blutzuckerspiegel zu behandeln, müssen die Betroffenen ihr Leben lang Insulin spritzen . Warum es zur Autoimmunreaktion kommt, ist noch nicht wirklich geklärt. Im Gegensatz dazu ist unstrittig, dass ungesunde Ernährung, Übergewicht und mangelnde Bewegung das Risiko für Typ-2-Diabetes deutlich erhöhen. Früher Altersdiabetes genannt, erkranken heute zunehmend auch Jugendliche daran. Dem Typ-2-Diabetes liegt im Unterschied zu Typ 1 eine Insulinresistenz zugrunde: Die Körperzellen sprechen immer weniger auf Insulin an, bis sie schließlich unempfindlich – resistent – werden.

Das Hormon kann dann den Zucker nicht mehr in die Zellen befördern. So steigt der Blutzuckerspiegel. Bei der Behandlung wird versucht, mit Sport und gesunder Ernährung entgegenzuwirken. Hilft all das nicht, müssen auch Typ-2-Diabetiker Insulin spritzen.

Ein Typ-1-Diabetes entwickelt sich wesentlich schneller als ein Typ-2-Diabetes. Aus diesem Grund macht er sich fast immer stark mit typischen Symptomen bemerkbar. Vor allem ständiger Durst, häufiger Harndrang und große Müdigkeit treten auf. Typ 2 bleibt auch deshalb lange unentdeckt, weil die Symptome weniger deutlich auftreten als bei Typ 1. Erhöhte Blutzuckerwerte schädigen langfristig Blutgefäße, Nerven und zahlreiche Organe. Als Folge kann es zu Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenschäden oder Erkrankungen der Netzhaut kommen. Menschen, die an Typ-2-Diabetes leiden, sterben im Schnitt fünf bis zehn Jahre früher als Menschen ohne Stoffwechselerkrankung.

Beim Auftreten von Diabetes gibt es zwischen den Bundesländern deutliche Unterschiede. Laut einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung ist Diabetesundefinedim Osten ein größeres Problem als im Westen. In den neuen Ländern leiden demnach fast zwölf Prozent der Bürger an Diabetes, im Westen gut neun Prozent. Während etwa in Baden-Württemberg achteinhalb Prozent daran erkranken, sind es in Brandenburg zwölf Prozent.