StartseitePanoramaHeute macht Wladimir auf Kavalier

Partnerportal

Heute macht Wladimir auf Kavalier

Panorama / Lesedauer: 5 min

Nirgends wird der internationale Weltfrauentag größer gefeiert als in Russland
Veröffentlicht:07.03.2017, 17:34

Von:
Artikel teilen:

Auf ihre männlichen Landsleute sind die russischen Frauen in der Regel nicht so gut zu sprechen: Frau hat schlechte Erfahrungen gemacht. In westlichen Partnerportalen suchen deshalb jede Menge russische Frauen nach alternativen Modellen. Es mag ein Klischee sein, dass sich der russische Macho den ganzen Tag mit der Bier- oder Wodkaflasche auf dem Kanapee fläzt, nicht wegzudiskutieren ist aber, dass die Stellung der russischen Frau auf dem heimischen Partnermarkt nicht die beste ist. Swetlana Chudjakowa, die Chefin der internationalen Heiratsagentur „Swetlana“, weiß warum: „In Russland gelten Frauen zwischen 30 und 50 Jahre bei den Männern schon als alt und haben kaum Chancen, einen Mann zu finden.“ 1150 Frauen kommen auf 1000 Männer. Warum also sollen Sergej, Ivan oder Wladimir, die sich gerade von ihren Ehefrauen in der Vierzigern getrennt haben, erneut eine Frau in diesem Alter suchen, wenn doch genügend junge, heiratswillige Anwärterinnen zur Verfügung stehen.

Wer am Vorabend des 8. März durch Moskaus Straßen streift, findet keinerlei Hinweise für diese gesellschaftliche Realität. Blumenbeladen strömen die Moskowiterinnen aus den Büros in die U-Bahnen, heim zu ihren Liebsten. Tags darauf wird der Frauentag gefeiert, eine Mischung aus Valentins- und Muttertag, der Tag, an dem Russland seine Frauen verwöhnt. Sie werden bekocht, beschenkt und vergöttert. Geschätzt rund eine halbe Milliarde Dollar sollen Russlands Männer an diesem Tag für Geschenke ausgeben.

Zahlen oder kassieren?

Auch Ilya Kalmakov, 36-jähriger IT-Spezialist für SAP in Moskau, greift in die Tasche. Er schenkt „Mimosen und Tulpen – für Frau, Mutter, Schwester und Kolleginnen.“ Die Blumen seien zwei- oder dreimal so teuer wie üblich, erzählt Kalmakov. „Ein Freund von mir fliegt öfter von Kamchatka nach Moskau, um Blumen zu kaufen und sie zu Hause noch teurer zu verkaufen. Ein gutes Geschäft für ihn.“ Es gibt Schätzungen, denen zufolge Floristen am 8. März 70 Prozent ihres Umsatzes machen.

Veronika Popova , inzwischen in Deutschland verheiratete Wirtschaftsingenieurin und Buchhalterin, ist als Schulkind in ihrer Heimatstadt Orël mit diesem Brauch sozialisiert worden. Seit einem Erlass Leonid Breschnews im Jahr 1966, ihrem Geburtsjahr, ist der 8. März ein arbeitsfreier Feiertag. Schon den Schülern wird beigebracht, ihre Nebensitzerinnen mit einem kleinen Präsent zu erfreuen. Dann wird der Unterricht für fünf Minuten unterbochen, damit die Knaben ihrer Rolle als russischer Kavalier gerecht werden können. Das einzige Problem: „Es gab immer mehr Mädchen als Jungen in der Klasse“, erinnert sich Popova.

Später, im Arbeitsleben, durften die Aufmerksamkeiten gerne auch ein bisschen luxuriöser ausfallen, je nach Bonität der Firma. Blumen, Süßigkeiten oder Maniküresets werden gerne verschenkt. Mal geht die Belegschaft nach dem verkürzten Arbeitstag am 7. März in ein Lokal, mal wird in den Firmenräumen gefeiert, gerne unter mithilfe einer Flamenco-Tanzgruppe. Als Buchhalterin bei einer Moskauer Werbeagentur ist Popova nach Gorbatschows Perestroikas mit den Kollegen auch schon mal in einem Freizeitpark gelandet, wo sich jede und jeder nach Herzenslust vergnügen konnte: beim Ausflug zu Pferde, beim Sportprogramm oder in der Sauna. Oder man lässt einen Sommelier in die Firma kommen, der den Beschäftigten zeigt, wie man sachgerecht mit einem Säbel eine Champagnerflasche köpft. Das hat Popova vor einigen Jahren als Abteilungsleiterin in der Vermögensverwaltungsfirma GHP gelernt.

Kampf ums Frauenwahlrecht

Dass es mal so kommen würde, war nicht abzusehen, als die Idee geboren wurde – in den USA. 1908 hatten dort die Frauen der Sozialistischen Partei – es war einmal in Amerika! – vorgeschlagen, einen „Kampftag“ für das Frauenwahlrecht zu organisieren. In Europa kam der Kampf 1910 an: Die sozialistische deutsche Frauenrechtlerin Clara Zetkin und ihre Mitstreiterinnen wie Rosa Luxemburg beschlossen beim 2. Internationalen Frauenkongress in Kopenhagen den Frauentag einzuführen. In Russland wurde die Idee 1921 aufgegriffen, kurz vor der Gründung der Sowjetunion: Da beschloss die 2. Internationale Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau die Einführung.

Der historische Hintergund ist längst vergessen, aber die Frauen genießen die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird. „Ich mag das Fest, alle Frauen sind sehr glücklich“, sagt Natalia Anikeeva, 40-jährige Chefsekretärin bei GHP. „Wir haben einen zusätzlichen freien Tag, es ist sehr schön, mit Geschenken und Blumen verwöhnt zu werden. Die Läden sind voll wie an Weihnachten, alle haben gute Laune.“

Auch im Ausland halten die russischen Frauen an der Tradition fest. „Mein Mann schenkt mir und meiner Tochter immer Blumen und Kuchen. Einmal haben wir uns mit russischen Freunden getroffen und im Restaurant gefeiert“, erzählt Elena Zharkova (36) aus Ravensburg. Ihre Freundin Maria Hannaleck (28), mit einem Deutschen verheiratet, meint: „Für mich ist der 8. März nicht so wichtig, ich bekomme regelmäßig Blumen von meinem Mann. Was ich vermisse ist, dass alle Frauen wie in Russland Blumen bekommen, auch Singlefrauen, das finde ich besonders gut.“ Veronika Popova sieht die Sache pragmatisch: „Es wäre besser, die Männer würden ihren Frauen öfter was schenken, nicht nur an diesem Tag – und billiger wäre es auch.“