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Glosse:Von Tofu-Käse, Mast-Hühnern und überforderten Verbrauchern

Panorama / Lesedauer: 3 min

Glosse:Von Tofu-Käse, Mast-Hühnern und überforderten Verbrauchern
Veröffentlicht:30.06.2017, 16:43

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Natürlich müssen wir im Rahmen dieser Kolumne noch über das bahnbrechende Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) reden. Der hat nämlich entschieden, dass Käse, Butter, Rahm oder Joghurt eben nur dann so heißen dürfen, wenn auch Milch und damit ein tierisches Produkt zum Einsatz kommt. Der Verbraucher würde andernfalls bei Bezeichnungen wie „veganer Käse“, „Veggie-Cheese“ oder „Tofubutter“ in die Irre geführt.

Ein Wunder eigentlich, dass die Richter nicht gleichzeitig die Bezeichnungen „Jägerschnitzel“ oder „Nonnenfürzle“ verboten haben, weil beide Berufsgruppen auch eher selten in vorgenannten Gerichten Verwendung finden. Wieder einmal erscheint vor dem inneren Auge das Bild eines im Supermarkt alleingelassenen Menschen, der ohne Führung und Schutz des EuGH den Käseimitate fabrizierenden Schergen ausgeliefert ist. Wehrlos, verschüchtert, desperat.

Und während der EuGH sich also der Wortklauberei über die Namensgebung irgendwelcher Käseplagiate aus Pflanzeneiweiß und Geschmacksverstärkern widmet, hat Europa nicht das Geringste dagegen, wenn Turbomasthühner in 36 Tagen vom Schlüpfen bis zum Schlachten regelrecht aufgeblasen werden. Auf die Verpackungen dieser armen Kreaturen noch „Huhn“ zu schreiben – das ist die eigentliche Irreführung. Denn: Echte Hühner sehen das Tageslicht. Echte Hühner picken auf der Wiese nach Würmern. Echte Hühner tragen ein Federkleid. Echte Hühner sind soziale Wesen, die sich nicht gegenseitig permanent wund hacken.

Jedenfalls ist die Bezeichnung Huhn nicht mehr angemessen, weil das Ergebnis dieser artfremden Haltung mit dem, was sich Mutter Natur mal unter einem Huhn vorgestellt hat, nichts mehr zu tun hat.

Andererseits: Bei dem EuGH-Urteil geht es um alles Mögliche, aber ganz sicher nicht um den Schutz des Konsumenten. Geklagt haben Produzenten aus der Milchwirtschaft, die einfach langsam nervös werden, weil die veganen Alternativen allmählich ihren Produkten im Kühlregal unliebsame Konkurrenz machen. Es geht also um Marktanteile. Es geht ums Geld.

Den Verbraucherschutz vorzuschieben, um seinen eigenen Markt so lange wie möglich vor etwas Neuem zu schützen, hat Tradition. Dabei ist der Verbraucher gar nicht so dämlich und unmündig, wie er vor Gericht immer hingestellt wird. Ein Mensch, der je ein Stück duftenden Käse in der Hand gehalten hat, wird den Unterschied zu einem Klumpen weitgehend von Geschmack unbehelligten Tofus rasch erkennen.

Vorausgesetzt der Verbraucher kann lesen, wird ihm spätestens bei der näheren Betrachtung der Verpackung klar werden, dass vegane Butter nicht von der Kuh stammt, sondern von Lebensmittelchemikern, die Palmfett, Kokosfett, Rapsöl, Wasser, Karottensaft für die Farbe, Emulgatoren und Zitronensäure zusammenrühren. Alle anderen Menschen, die bei so einer Produktzusammensetzung eine Kuh vor dem inneren Auge grasen sehen, ist sowieso nicht zu helfen. Diese gehören dann zur Kategorie jener Lebensuntüchtigen, für die auf Waschmaschinen der Hinweis geschrieben steht, dass selbige nicht zum Reinigen von Hamstern, Katzen und sonstigen Haustieren geeignet sind.

Das Urteil des EuGH könnte ja eigentlich ganz lustig sein, wenn es nicht so traurig wäre. Die jährlich mehr als 100 Millionen in Deutschland gegessenen Masthühner aus der Massentierhaltung haben für diese Art von Humor gewiss nichts übrig.