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Verwahrungsbruch

Waffenliebe macht Polizisten zum Straftäter

Leutkirch / Lesedauer: 4 min

Amtsgericht Leutkirch verurteilt 52-jährigen Beamten wegen Verwahrungsbruchs – Dienstrechtliches Verfahren wird folgen
Veröffentlicht:10.07.2013, 17:45

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Es war, darin bestand Einigkeit unter allen Prozessbeteiligten, „ein sehr problematischer, ungewöhnlicher Fall“, der da am Dienstag vor dem Amtsgericht Leutkirch verhandelt wurde. Ein Polizist aus Memmingen, im Nebenberuf Waffenhändler, hatte sich Ende 2009 mit Hilfe eines Leutkircher Kollegen fünf Schusswaffen angeeignet. Die waren von ihren Vorbesitzern abgegeben und auf dem Leutkircher Polizeirevier gelagert worden – eigentlich, um von dort aus entsorgt zu werden. „Verwahrungsbruch“ lautete der Tatvorwurf juristisch kurz und knapp. Wie kompliziert die rechtliche Bewertung eines solchen Vergehens sein kann, machte die mehr als vierstündige Verhandlung deutlich. Eine Verhandlung, die schließlich auch mit einem ungewöhnlichen Urteil zu Ende ging: einer Geldstrafe nämlich, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Zur Vorgeschichte: Man schrieb das Jahr 2009. In Winnenden hatte ein 17-Jähriger 15 Menschen und sich selbst erschossen – mit einer Waffe aus dem ungesicherten Waffenschrank seines Vaters. Die daraufhin verschärften Bestimmungen zur Verwahrung von Schusswaffen sorgten dafür, dass große Mengen von Waffen freiwillig abgeben wurden. Nun ist es eigentlich Aufgabe der kommunalen Waffenbehörden, solche „Verzichtswaffen“ zu registrieren und zur Vernichtung weiterzuleiten. Dass dort allerdings, zumindest zu jener Zeit, das nötige Knowhow für diese Aufgabe offenbar fehlte, machte Anton Kempter, Leiter des Polizeireviers Leutkirch, als Zeuge deutlich: „Die hatten keine Ahnung. Deshalb war der Sachverstand der Polizei gefragt“, sagte er in der Verhandlung aus.

Polizei ist logistisch überfordert

So kam es, dass die Leutkircher Dienststelle eine Aufgabe übernahm, „die nicht unsere gewesen wäre und die uns, logistisch gesehen, überforderte“, wie Kempter betonte. Man habe seinerzeit die Waffen bei den Vorbesitzern abgeholt, sie auf Sicherheit überprüft, nummeriert und zur Polizeidirektion Ravensburg gefahren. Hunderte von Waffen seien das landkreisweit gewesen, „der Innenraum eines Kleinbusses war in der Regel ziemlich voll.“ Von Ravensburg ging es weiter zur Landespolizeidirektion Tübingen und zum Kampfmittelbeseitigungsdienst – der für die ordnungsgemäße Vernichtung von Waffen und Munition zuständig ist.

Zumindest hätte das so sein sollen. Im Leutkircher Polizeirevier allerdings fand sich im Dezember 2009 der Memminger Polizeioberkommissar Harald H. ein, der nebenberuflich ganz legal als Waffenhändler arbeitete. Ihm fielen vier Pistolen und ein Kleinkalibergewehr ins Auge - zu schade für die Vernichtung, wie er fand. Also bewog er den zuständigen Beamten der Dienststelle, ihm die Schusswaffen zu überlassen, schloss Kaufverträge mit den Vorbesitzern ab, übersandte diesen den vereinbarten Kaufpreis samt schriftlichen Weihnachtsgrüßen und glaubte, damit nichts Unrechtes getan zu haben. „Mein Mandant ging davon aus, dass der frühere Eigentümer darüber bestimmen darf, was mit den Waffen geschieht“, gab Verteidiger Michael Bogdahn zu Protokoll.

Die juristische Bewertung dieses Verwahrungsbruchs gestaltete sich deshalb so schwierig, weil seinerzeit rechtlich nicht geregelt war, was mit solchen Verzichtswaffen zu geschehen habe. Erst seit Februar 2010 verlange eine Verwaltungsvorschrift die Vernichtung dieser Waffen, machte Richter Hölzle klar. Zuvor seien sowohl Verwertung (für den dienstlichen Gebrauch oder Verkauf durch den Staat) als auch Vernichtung möglich gewesen. Ein Umstand, den Verteidiger Bogdahn zugunsten des Angeklagten gewertet wissen wollte: „Das Ganze ist freispruchreif.“

Geldstrafe zur Bewährung ausgesetzt

Oberstaatsanwalt Jens Rommel sah das anders. „ Ein halbes Jahr nach Winnenden werden aus Polizeibestand fünf Waffen von Polizisten an Polizisten weitergegeben. Das Unrecht dieser Tat muss ausgedrückt werden.“ Beim Strafmaß freilich fanden Anklagevertreter und Verteidigung schließlich einen gemeinsamen Weg, dem auch Richter Hölzle folgte: Er befand Harald H. des Verwahrungsbruchs schuldig und sprach deshalb eine Verwarnung aus. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 60 Euro droht dem Polizisten, falls er sich für den Zeitraum von zwei Jahren nicht bewährt. Zudem muss H. 1000 Euro an den Umweltkreis Leutkirch überweisen und die Kosten des Verfahrens tragen. Er habe „von Anfang an Zweifel an der Strafbarkeit gehabt“, begründete Hölzle sein Urteil.

All dies dürfte den heute 52-Jährigen Polizisten jedoch weit weniger schmerzen als die Aussicht auf ein dienstrechtliches Verfahren, bei dem ihm mit dem Verlust des Beamtenstatus‘ auch der Verlust seiner Pensionsansprüche droht. Dass er Anfang des Jahres bereits vom Amtsgericht Memmingen mit 12 000 Euro Strafe wegen unsachgemäßer Aufbewahrung seiner Waffen belegt wurde, seine Lizenz als Waffenhändler verlor und bis Ende August seine gesamten 1000 Waffen verkaufen muss, sind weitere Tiefschläge für den Memminger. Mit einem Verfahren muss im Übrigen auch der Leutkircher Kollege rechnen, der den Verwahrungsbruch ermöglicht hat.