Landratsamt

„Sterben, wo man lebt“

Tuttlingen / Lesedauer: 3 min

Palliativ-Netz veranstaltet Podiumsdiskussion über ambulante Versorgung Schwerstkranker
Veröffentlicht:16.03.2014, 19:40

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Unter dem Titel „Sterben, wo man lebt“ hat das Palliativ-Netz Landkreis Tuttlingen am Samstag zu einer Podiumsdiskussion ins Landratsamt eingeladen. Die Resonanz war überwältigend: die Stühle im Sitzungssaal reichten nicht aus.

Die meisten Schwerstkranken wünschen sich für ihre letzte Lebensphase Geborgenheit in einer vertrauten Umgebung. Um eine möglichst gute Lebensqualität und die oft aufwändige Versorgung auch außerhalb des Krankenhauses zu sichern, koordiniert das Palliativ-Netz Landkreis Tuttlingen seit zweieinhalb Jahren den Einsatz von Palliativmedizinern und Fachpflegekräften für eine spezialisierte, ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV). Patienten mit einer unheilbaren, weit fortgeschrittenen Krankheit bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Pflege benötigen, haben Anspruch auf SAPV. So regelt es das Sozialgesetzbuch.

Palliativ- und Hausarzt Alexander Lux erläuterte zunächst, wie die Versorgung in Gang kommt. Nach der Verordnung durch einen Arzt vermittle das Netzwerk einen der vier ambulanten Palliativ-Mediziner, möglichst in Wohnortnähe. Behandlungsziel der Palliativ-Versorgung sei nicht die Heilung, sondern die Linderung der Krankheitssymptome. Fragen zur Schmerztherapie, ein Notfallkatalog für Medikamente und eine möglichst ganzheitliche Begleitung seien daher Themen im Erstgespräch, so Lux. Palliativ-Mediziner und Fachpflegekräfte ergänzten die Betreuung durch Hausarzt und vertrauten Pflegedienst, ersetzten ihn aber nicht, betonte Lux. Erst die Zusammenarbeit mit Kliniken, Heimen, Hospizgruppen, Pflegediensten und Hospiz habe das Netzwerk zum vertragsfähigen Kooperationspartner für die Krankenkassen gemacht. Mit ihnen rechnet das Netz Personalkosten für Ärzte und Pflegekräfte ab, für alles Weitere muss der Verein jedoch aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden aufkommen. In den vergangenen zwei Jahren hat das Netzwerk insgesamt 252 Patienten betreut.

Im Anschluss an seine Erläuterungen moderierte Alexander Lux den lebhaften Austausch zwischen Podium und Zuhörern. Vielfältig waren die Berührungspunkte der Podiumsteilnehmer mit dem Thema Sterben: Doris Schwarz-Enslin schilderte berührend den Abschied von ihren Eltern. Wie unterschiedlich beide Elternteile gestorben seien, wie genau sie den unmittelbar bevorstehenden Tod gespürt habe und welche Sicherheit ihr die 24-Stunden-Rufbereitschaft des Palliativ-Netzes gegeben hätte.

Monika Haug von der Hospizgruppe Geisingen begleitet ehrenamtlich Sterbende. Aus der Pflege kommen Altenpflegerin Anja Schmid und Krankenschwester Raphaela Rothweiler vom Hospiz am Dreifaltigkeitsberg. „Alles darf sein: Weinen, Lachen, Zorn und Fröhlichkeit“, beschrieb Rothweiler ihren Arbeitsplatz im Hospiz. Dankbar sei sie, die Gäste auf deren Weg begleiten zu dürfen. Acht Plätze biete das Hospiz – mit einer Warteliste müssten Interessenten leider rechnen.

Pfarrer Hans Martin Dober wird als Seelsorger zu Sterbenden gerufen, muss versuchen, Worte des Trosts, auch für die Angehörigen, zu finden. Er sieht Sterben im Spannungsfeld zwischen dem individuellen Tod und dem Tod als allgemeines menschliches Schicksal. „Mit dem Leben, das der Mensch gelebt hat, in Frieden sterben zu können“ – dazu möchte Dober beitragen.

Ulrike Odenwäller braucht neben ihrer hausärztlichen Tätigkeit für die Palliativ-Medizin viel Zeit und Kraft, doch sie ist überzeugt: „Was ich tue, hat Sinn.“ Hochdosierte Schmerzmittel seien vielfach immer noch angstbehaftet bei Ärzten und Angehörigen, sollten aber zur Sicherung der Lebensqualität eingesetzt werden.

Bedeutung von Netzwerken wächst

Klaus Schellenberg schließlich hat als Bürgermeister im Wurmlinger Rathaus mit vielen Formalitäten rund um den Tod zu tun. Er ist überzeugt, dass auch in kleinen Gemeinden in Zukunft immer mehr Menschen allein leben werden und deshalb Netzwerke an Bedeutung gewinnen werden.

Eine kleine Ausstellung mit Werken von Schülern aus dem Landkreis lud im Anschluss zum Betrachten und zum Austausch ein.

Die Ausstellung ist bis zum 22.April im Foyer des Landratsamts zu sehen. Durch eine Mitgliedschaft kann jeder die Arbeit des Palliativ-Netzes unterstützen. Informationen gibt es unter:

www.palliativnetz-tut.de