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Rock am Ring

Festivalsaison startet mit strengen Kontrollen

Panorama / Lesedauer: 5 min

Festivalsaison startet im Schatten der Anschläge von Manchester – Großes Polizeiaufgebot bei Rock am Ring
Veröffentlicht:31.05.2017, 18:48

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Paris 2015, Ansbach 2016, Manchester 2017: Der islamistische Terror hat längst die Welt der Konzerte und Festivals erreicht. Unter dem Eindruck des jüngsten Anschlags auf das Konzert von Ariana Grande in Großbritannien überdenken auch deutsche Veranstalter ihre Sicherheitsmaßnahmen. So verbieten etwa die Organisatoren der größten deutschen Rockfestivals Rock am Ring am Nürburgring und Rock im Park in Nürnberg Taschen und Rucksäcke auf dem Konzertgelände. Lediglich Gürtel- und Bauchtaschen sind zugelassen.

Mit dieser Maßnahme reagieren die Veranstalter auf den Anschlag von Manchester. Dort hatte sich vor zwei Wochen ein Selbstmordattentäter nach einem Konzert der US-Sängerin Ariana Grande im öffentlich zugänglichen Vorraum der Konzerthalle in die Luft gesprengt. 22 Menschen starben, darunter ein achtjähriges Mädchen.

Mit dem Doppel-Open-Air am kommenden Wochenende beginnt traditionell die Festivalsaison. Insgesamt werden fast 170 000 Menschen zu Marek Lieberbergs Zwillingsfestivals erwartet. Sie werden sich auf die strengsten Sicherheitsvorkehrungen in der Geschichte von Rock am Ring und Rock im Park einstellen müssen. Es soll gründliche Einlasskontrollen geben, sogenannte „Bodychecks“. Auch das Mitnehmen von Getränken auf die vom Campinggelände abgetrennte Konzertfläche verbieten die Veranstalter dieses Jahr – egal ob Flasche oder Tetrapak. In einer ersten Mitteilung hieß es, dass man neben persönlicher Kleidung nur Handys, Geldbeutel und Schlüsselbund mit aufs Konzertgelände nehmen darf.

Kritik von den Fans

Auf der Facebookseite machten viele Festivalgänger ihrem Unmut Luft. Der Zorn der Fans war groß, sie witterten Profitmache, denn auf dem Konzertgelände kann man Getränke kaufen. Der Veranstalter reagierte, wies darauf hin, dass es dort kostenloses Trinkwasser geben wird. Am Montagabend besserten die Organisatoren erneut nach: Nun sind leere faltbare Wasserflaschen mit einem Fassungsvermögen von maximal einem halben Liter erlaubt.

Beim Wacken Open Air, mit rund 70 000 Besuchern pro Jahr eines der größten Heavy-Metal-Festivals der Welt, galt bereits vergangenes Jahr ein Verbot für Taschen und Rucksäcke. Auch das Taubertal-Festival im idyllischen Rothenburg ob der Tauber verhängte 2016 ein solches Verbot. Zuvor hatte ein islamistischer Attentäter versucht, auf das Gelände eines Musikfestivals im mittelfränkischen Ansbach zu gelangen. Er wurde abgewiesen, weil er keine Eintrittskarte hatte. Der im Rucksack versteckte Sprengsatz explodierte vor einer Weinstube, 15 Menschen wurden verletzt, der Attentäter erlag seinen Verletzungen.

Southside ohne Taschenverbot

Die Konzertagentur FKP Scorpio ist einer der wichtigsten Akteure auf dem deutschen Festivalmarkt. Das in Hamburg ansässige Veranstaltungsbüro betreut nicht nur das Southside Festival in Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) sowie das Zwillingsfestival Hurricane bei Hannover, sondern auch weitere gewichtige Open Airs wie das Highfield Festival, das M’era Luna und das Deichbrand Festival. Beim Southside soll es, im Gegensatz zu Rock am Ring, nach aktuellem Stand keine Taschenverbote auf dem Festivalgelände geben. FKP Scorpio erklärt in einem Statement, man werde Besucher gründlich durchsuchen: „Im Rahmen der Sicherheitsstrukturen werden bei allen unseren Veranstaltungen Bodychecks sowie intensive Taschen- und Rucksackkontrollen an allen Einlassbereichen durchgeführt.“ Ansonsten will sich der Konzertveranstalter allerdings nicht weiter in die Karten schauen lassen. Über einzelne Sicherheitsvorkehrungen wolle man keine Auskunft geben, „da ein Baustein auch die Geheimhaltung der getroffenen Maßnahmen darstellt, um potentiellen Gewalttätern etwaige Planungen zu erschweren“.

Kritische Stimmen weisen immer wieder darauf hin, dass auch Kontrollen am Einlass zum Festivalgelände einen Terroranschlag nicht verhindern können. Ein Teil der großen Festivals ist nicht nur das sogenannte „Infield“, wo die Bühnen stehen und die Musik spielt, sondern auch die Campingfläche drumherum. Auch hier gibt es Kontrollen. „Das gibt es bei uns seit Jahren“, sagt Jonas Rohde von FKP Scorpio. In früheren Jahren ging es dabei vor allem darum, das Mitbringen von Glasflaschen, Pyrotechnik und anderen unerwünschten Gegenständen zu verhindern. Auch dort können sich Konzertgänger wohl auf strikte Kontrolle einstellen.

Beim von FKP Scorpio organisierten Chiemsee Summer spürte man bereits vergangenes Jahr die strikteren Maßnahmen: Deutlich mehr Zivilpolizisten und Security-Personal waren im Einsatz. Die Zufahrtsstraßen wurden – wegen des LKW-Anschlags von Nizza im Juli 2016 – mit Panzersperren blockiert. Bei Rock am Ring sollen mehr als 1200 Polizeibeamte präsent sein, wie der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Mittwoch im Landtag mitteilte. Geplant sei neben einer Wache vor Ort auch der Einsatz von Zivilbeamten.

Wenn nächste Woche mit dem Auftritt der Rockband Foreigner am 7. Juni die Salem Open Airs starten, müssen sich die Besucher ebenfalls auf strengere Regeln gefasst machen. Rucksäcke, große Handtaschen und Turnbeutel dürfen nicht mit rein. „Wir haben unsere Sicherheitsvorkehrungen bereits vergangenes Jahr verschärft“, sagt Michaela Bernhard, Geschäftsführerin der veranstaltenden Agentur Allgäu Concerts . Ausschlaggebend war auch für sie der Terrorangriff von Ansbach. Konzertbesuchern empfiehlt sie, mehr Zeit einzuplanen, weil es durch die Personenkontrollen am Einlass zu Wartezeiten kommen kann.

Restrisiko bleibt

Das empfiehlt auch Marc Oßwald, Geschäftsführer von Vaddi Concerts und der noch bis Ende des Jahres als Veranstalter agierenden Koko & DTK Entertainment . Seiner Ansicht nach sind die strengeren Sicherheitskontrollen unumgänglich, auch wenn ein Restrisiko bleibe. „Man kann nicht alles verhindern, aber was möglich ist, muss man tun“, sagt er. Ob bei den Open Airs in Meersburg und Tettnang Taschen draußen bleiben müssen, sei noch nicht entschieden.

Die Diskussion um Sicherheit und Terror verdrängte indes die anderen Probleme: Rock am Ring erlebte bei den beiden Auflagen 2015 und 2016 in Mendig in der Eifel schwere Unwetter. Vergangenes Jahr musste das Festival, das dieses Jahr an den Nürburgring zurückkehrt, sogar abgebrochen werden. 80 Menschen wurden durch Blitzschlag verletzt. Dieses Jahr gibt es deshalb Blitzschutzzonen. Laut Prognosen könnten sie durchaus notwendig werden: Der Deutsche Wetterdienst rechnet für Freitag und Samstag mit Gewittern.